2. Zur Problematik einer eigenen Notenbank. Das Geldbedürfnis des Staates gegen dasjenige der Wirtschaft

 

In die Zeit der Gründung der ersten Geldinstitute Ungarns – 1840 – fällt eine theoretische Auseinandersetzung um die Rolle der Banken überhaupt. Verschiedene Autoren sahen das Heil und die wirtschaftliche Gesundung Ungarns in der Aufstellung einer eigenen Notenbank, die die Wirtschaft mit Liquidität versorgen sollte. Gerade die Ausgabe von Banknoten war und blieb bis nach 1848 das alleinige Privileg der Nationalbank.

Graf Emil Dessewffy hat angeblich einmal die Vermutung geäußert(1), daß das Privileg der Banknotenausgabe auf Wunsch der Wiener Bankhäuser nicht auf andere Institute ausgedehnt wurde. Bei der engen Interessensverflechtung zwischen den Bankiers und der Staatsverwaltung besitzt diese Vermutung einige Plausibilität. Denn die Bankhäuser sicherten sich damit ihr Privileg auf den Privatkredit in der ganzen Monarchie. Und bei der Untersuchung der Partialobligationen ebenso wie beim Studium der Planung der Hypothekenbank für Ungarn tritt der Umstand klar zu Tage, daß die Regierung die Ansprüche der Bankhäuser vor und über etwaige nationalökonomische Erwägungen stellte. Daher bemühte sich auch die Nationalbank selbst, den Privatbankiers nicht in die Quere zu kommen: Sie errichtete kaum Filialen, in Ungarn keine einzige.

Während bei der Gründung der Österreichischen Nationalbank ausdrücklich der Wunsch, die Staatsfinanzen zu sanieren und die Finanzbedürfnisse des Staates zu sichern, im Vordergrund gestanden war, so hielten die ungarischen Politiker und Ökonomen eine andere Funktion der Bank hoch. Die Bank sollte Diener der Wirtschaft sein, indem sie Kredit schaffen und durch Ausgabe von Umlaufmitteln, Banknoten, den Zahlungsverkehr vereinfachen und dadurch belebend auf Handel und Industrie wirken würde.

Diese beiden Ansprüche an eine Bank stehen zunächst scheinbar in einem Gegensatz zueinander, ein Gegensatz, der unter den politischen Verhältnissen des Vormärz zu einem Gegensatz zweier Reichshälften wurde. Die Inanspruchnahme des Kredites für die Bedürfnisse der Staatsgewalt, also für Militär, den Verwaltungsapparat, den Hof und die Repräsentation, nicht zuletzt für die Bedienung der Staatsschuld ist zunächst Abzug vom gesellschaftlichen Reichtum, tote Kosten, die an anderer Stelle fehlen. Es ist aber ein Fehler in der nationalökonomischen Betrachtungsweise, nur diese Seite der Kosten der Herrschaft zu betonen, ihre Notwendigkeit jedoch nicht zur Kenntnis zu nehmen. Immerhin schafft die Staatsgewalt ja mit diesen ganzen Institutionen die Voraussetzungen gerade desjenigen Wirtschaftslebens, das mit dem Kredit der Notenbank gefördert werden soll. Ohne ein Heer, das den Bestand des Staates nach außen, und ohne eine Polizei und Rechtspflege, die die Gültigkeit des feudalen und bürgerlichen Eigentums und des geordneten Geschäftsganges im Innern und auch grenzüberschreitend absichern, hat keine Obligation ihre Gültigkeit, liefert kein Leibeigener seinen Zehent ab, usw. Da von den ungarischen Reformpolitikern des Vormärz die Politik Wiens als Schranke betrachtet wurde, haben sie diese Diskrepanz zwischen den Geldbedürfnissen von Staat und Wirtschaft nicht als solche, sondern als die nationale Frage schlechthin wahrgenommen und behandelt. Durch die Niederschlagung der Revolution ist es auch nicht dazu gekommen, daß sie sie in seiner politischen Dimension, als eigene Verwalter eines Staates, zur Kenntnis nehmen mußten.

Darüberhinaus sind jedoch die Vorstellungen, die an die heilsame Wirkung einer eigenen Notenbank geknüpft wurden, in sich haltlos. Ein Kreditinstitut, wie es eine Bank darstellt, muß die Verhältnisse des Kreditwerbers noch weitaus schärfer prüfen und beurteilen, als das ein Privater tut, weil die Bank auch fremdes Vermögen verwaltet. Die selbst ausgegebenen Banknoten, die ja Zahlungsversprechen der Bank darstellen und bei ihr jederzeit gegen Bargeld einlösbar sein müssen, können daher nicht Mittel für Jedermann sein, der aus irgendeinem Grund Geld benötigt. Und wenn eine Bank tatsächlich derart leichtfertig ihre Kreditzettel unters Volk werfen sollte, so hätte das zur Folge, daß bald keinerlei Vertrauen in diese Papiere herrschen, sie von fast niemandem angenommen und sehr schnell zur Bank selbst zurückkehren würden. Die Bank selbst, die mit ihrem Bankschatz für die Gleichwertigkeit ihrer Zettel mit Bargeld haftet, könnte so nicht lange bestehen.

Die einzige Bank, die in Ungarn schließlich trotz aller Widrigkeiten das Licht der Welt erblickte, besaß zwar keine Erlaubnis zur Banknotenausgabe, hatte aber mit diesem Problem, nämlich: daß Kreditvergabe eben nicht nur Bedürftigkeit, sondern Kreditwürdigkeit voraussetzt, schwer zu kämpfen. Sie war zugleich das erste private Kreditinstitut (also nicht ein Handelshaus, das auch Kreditvergabe betrieb) der Monarchie.

 

3. Die Pester Ungarische Commerzbank
(im folgenden nur Pester Kommerzbank oder Bank)

 

Der Hauptinitiator der Gründung dieser Bank und ihr erster Vorsitzender war der Pester Großhändler Móricz Ullmann. Von ihm war bereits in den vorangegangenen Kapiteln öfters die Rede. Er hatte den Grundstock seines Vermögens in der Kriegskonjunktur der Napoleonischen Kriege mit Lieferungen an das Heer erworben. Später wurde er einer der größten Tabak-, Woll- und Getreidehändler Ungarns, und die treibende Kraft hinter der Aktiengesellschaft zur Errichtung der Zentralen Eisenbahn. Auch mit Kreditgeschäften beschäftigte er sich, wie die Ereignisse um die Anleihen Grassalkovichs zeigen.
Zusammen mit anderen namhaften Kaufleuten richtete er 1830 ein Gesuch an den Statthaltereirat, in dem die Gründung einer Bank vorgeschlagen und ein Entwurf zu dieser Bank unterbreitet wurde. Diese Bank sollte berufen sein,

– namhafte Kapitalien zur Belebung des Handels anzusammeln,

– den Geldumlauf zu vervielfachen,

– den Kredit zu beleben und

– dem Wucher ein Ende zu bereiten.

Das Problem der mangelnden Gesetze und der unklaren Rechtslage gedachten die Unterzeichner durch Gründung eines eigenen Schiedsgerichts zu lösen, dem sich die Bank und alle ihre Kunden freiwillig unterwerfen sollten und das in allen Streitfragen nach dem österreichischen Handels- und Wechselrecht urteilen sollte.
 

1.) Der lange Weg durch die Institutionen

Der Statthaltereirat schickte das Gesuch und den Entwurf an den Pester Magistrat, der es mit einigen Verbesserungen versehen, wieder zurückschickte. Das allein nahm bereits fast 2 Jahre in Anspruch. Der Statthaltereirat übersendete das modifizierte Gesuch der ungarischen Hofkanzlei in Wien. Diese bat die Österreichische Nationalbank um eine Stellungnahme. Auch dies ging nicht von heute auf morgen. Die Nationalbank sprach sich für die Bank aus, beanstandete jedoch den § 19 des Entwurfes, in dem die Ausgabe von Bankanweisungen behandelt wurde. Dies sah die Nationalbank – nicht zu Unrecht – als Banknotenausgabe an, die eben ihr ausschließliches Privileg war, welches 1841 erneuert wurde.
Die ungarische Hofkanzlei äußerte sich – auf Drängen aus Buda – 1835 zu dem Institut. Dann bearbeitete sie den Entwurf, vor allem die Frage des Schiedsgerichts weitere 3 Jahre zusammen mit den Mitgliedern einer anderen ungarischen Behörde, der Kurie (königliche Tafel und Septemviraltafel). Deren Bemerkungen mußten dann wiederum der Hofkammer vorgelegt werden. Der Chronist der Pester Kommerzbank spricht von „meritorischen Verhandlungen“(2), die weitere Zeit in Anspruch nahmen. Die in dem Entwurf vorgelegten Statuten mußten danach wieder den ungarischen Amtsweg durchlaufen, den Statthaltereirat und den Pester Magistrat. Da das wieder mehr als 2 Jahre in Anspruch nahm, erließ der ungarische Landtag von 1839/40 in der Zwischenzeit neue Gesetze, unter anderem das Wechselgesetz, womit die Frage des Schiedsgerichts überflüssig wurde. Daher mußten die 2 Jahre lang umgearbeiteten Statuten erneut abgeändert werden:

„Wieder und nun schon zum dritten Male legten die Statuten den durch die damalige Ordnung vorgeschriebenen Weg zurück. Jetzt konnten sie aber schon schneller dem Endziele zueilen, denn es war nur wenig an ihnen auszubessern.“ Es gab noch kleinere Verzögerungen: „Da, im letzten Augenblick, bedachte man, daß seit der Einreichung der Petition elf Jahre verflossen waren und während dieser langen Zeit mehrere der Petenten aus dem Leben geschieden sein konnten. Man ließ sich daher die Liste der noch lebenden Gründer einschicken.“(3)

Schließlich unterschrieb der Kaiser die Konzessionsurkunde für die Bank am 14. 10. 1841. Die Bank hielt ihre Gründungssitzung am 30. 4. 1842 ab.
 

2.) Aktienzeichnung und Stammkapital

Das Stammkapital der Pester Kommerzbank sollte nach den Vorstellungen der Gründer 2 Millionen fl. CM betragen. Diese Höhe hat es im Vormärz nicht erreicht. Die Bank hatte ihre liebe Not, wenigstens einen Teil dieses projektierten Stammkapitals an sich zu ziehen. Bis 1848 war gerade eine Million Gulden, also genau die Hälfte, eingezahlt.
Die erste Aktienemission erfolgte 1842, die Aktien hatten einen Nennwert von 500 fl. Zur Erreichung der 2 Millionen hätten also 4.000 Aktien gezeichnet werden müssen. Bis 1843 fanden aber nur 1015 Stück einen Käufer. Daraufhin wurde die Aktienemission vorübergehend eingestellt.
Die Direktion beschloß in einer Sitzung vom 28. 6. 1844, einen erneuten Anlauf zur Erhöhung des Stammkapitals zu unternehmen. Wenig später einigte man sich auf die Ausgabe von 985 neuen Aktien, abermals mit einem Nennwert von 500 fl. CM. Der Preis dieser Aktien sollte in Raten eingezahlt werden. Davon wurden laut einem Bericht vom 12. Oktober desselben Jahres 416 Stück gezeichnet, aber nur auf 265 von ihnen erfolgte pünktlich die erste Ratenzahlung. Daraufhin wurde die Emission eingestellt. Schließlich wurden 385 Stück, davon 50 durch das Bankhaus Rothschild, als tatsächlich gekauft verbucht.
Der nächste Versuch einer Aktienausgabe fand am 6.11. 1846 statt, diesmal betrug der Emissionskurs 510 fl. Diese Erhöhung wurde damit begründet, daß der Reservefonds angewachsen sei und bei der Berechnung des Aktienkurses dem Stammkapital hinzugerechnet werden müsse. Die Bank erhöhte also selbst den Aktienkurs. Zusätzlich versprach sie Zinsen ab dem Zeitpunkt der ersten Einzahlung und zusätzlich eine Dividende für diejenigen, die sofort den vollen Preis der Aktie einbezahlten. Dieser Emission war ein größerer Erfolg beschieden als den vorigen und alle 600 Aktien wurden verkauft.
Mitsamt dem Reservefonds und den Einlagen verfügte die Bank im Juni 1847 über eine Summe von 3 Millionen fl.
 

3.) Anfangsschwierigkeiten. Geld„überfluß“ und Statutenänderung.

Die ersten zwei Jahre erbrachten jämmerliche Ergebnisse – die Bilanz von 1843 weist einen Reingewinn von 275 fl. CM aus, der aber auf eigenartige Weise zustandekommt. So werden als einzige „wahrscheinliche Einnahmen“ 6% des Aktienkapitals angeführt, ohne Erwähnung dessen, wie diese 6% aufgebracht werden sollen. Ohne diese „wahrscheinlichen Einnahmen“ hätte die Bank einen Verlust von 31.866 fl. CM.(4)
Die Leitung der Bank suchte die Ursache dieser Übel in den zu strengen Bestimmungen der Statuten. Sie arbeitete neue modifizierte Statuten aus. Die Statutenänderung mußte von der Hofkammer genehmigt werden und Kübeck ließ an den modifizierten Statuten kein gutes Haar. „Von Interesse ist gleich die in der Einleitung der Zuschrift enthaltene Bemerkung, die Normen der Bank wären ja erst jetzt sanktioniert worden und bedürften doch schon einer Modification.“(5) Die Vorstellungen der Bankleitung, die Höhe der auszuzahlenden Zinsen zu senken, indem das halbe Jahr Zinsen gezahlt würden, für die zweite Hälfte jedoch die Zinshöhe unter Berücksichtigung des Geschäftsganges von der Generalversammlung beschließen zu lassen, hielt Kübeck für unseriös. Fixe Zinsen müßten garantiert werden, so seine Ansicht, bestenfalls wäre ein insgesamt niedrigerer Zins – 4 statt 5% – ins Auge zu fassen. Ohne die fixe Verzinsung würden die Aktien „... aufhören, Objecte des geregelten Credites zu bilden, um im Gegentheile zur niedrigsten Agiotage mißbraucht zu werden.“(6) Kübeck hielt also die Spekulation mit Aktien für eine dem Kredit schädliche Tätigkeit und er hatte, was die Pester Kommerzbank betrifft, sicherlich recht: Ihre Geschäftsergebnisse waren so beschaffen, daß sie schwerlich vertrauensbildend auf die Eigentümer und etwaigen Käufer der Aktien wirken konnten. Wäre die Zinszahlung auch noch ausgeblieben, so hätten die Aktien gar keinen Käufer mehr gefunden.
 

4.) Einlagen

Ein unerwarteter Zustrom von Geld fand durch die Einlagen statt, die die Bank zwar mit Liquidität ausstatteten, aber durch den Anspruch auf Zinsen für die Bank in erster Linie Ausgaben bedeuteten. Für die anderen Geldinstitute stellte der „Geldüberfluß“ ebenfalls eine Belastung dar: „Da von Einlagen die Rede ist, erwähnen wir in erster Reihe, dass auch solche der Pester vaterländischen ersten Sparcassa vorkommen, die – wie es scheint – ebenfalls durch Geldüberfluß in Verlegenheit gerieth, obwohl derselben bei der Verwerthung die Hände nicht in dem Maße gebunden waren, wie bei der Bank.“(7) Der Grund für die Verwertungsschwierigkeiten dürfte also tatsächlich nicht in den Statuten gelegen sein, sondern im allgemeinen wirtschaftlichen Zustand Ungarns. Die Pester Sparkasse, die ihre Einlagen ebenfalls verzinsen mußte, spielte den Schwarzen Peter der Vermehrung der ihr anvertrauten Gelder, also des Gewinne-Erzielens, der Pester Kommerzbank zu. „Die Sparcassa bot Letzterer am 1. August 1845 gegen 4% 100.000 Gulden an, rückzahlbar in Raten von 20.000 Gulden. Durch dieses Anerbieten gerieth die Direction in eine heikle Lage. Anzunehmen war ebenso mit Schwierigkeiten verbunden, wie abzuschlagen.“(8) Eine Bank, die Einzahlungen ablehnt, das geht wirklich nicht. Damit wäre ihr noch gar nicht gefestigter Ruf ruiniert gewesen. Was tun in so einer Krise? Sämtliche Bankdirektoren beschlossen, die Einlage anzunehmen und selbst gegenüber den Aktionären für den aus diesem Darlehen etwaig sich ergebenden Zinsenverlust zu haften.

Die später gescheiterte Theißregulierungs-Gesellschaft vertraute der Bank 1847 ihre bis zu diesem Zeitpunkt eingegangenen Einzahlungen, eine Summe von 150.000 fl. gegen 4% an.

Bei jeder dieser Einlagen größeren Umfanges wurden jeweils verschiedene Rückzahlungsfristen zwischen 1 und 5 Monaten vereinbart. Der Zinssatz betrug zunächst 4% für Summen, die länger als einen Monat in der Bank verblieben. Ein im Jahr 1847 gestellter Antrag auf Senkung der Einlagezinsen wurde von der Direktion nicht angenommen. „Die Placierung der fortwährend anwachsenden Einlagen verursachte der Direction immer mehr Sorge.“(9) Der Vizedirektor der Bank, Havas, versprach Abhilfe: Er hätte einen guten Plan, der müsse aber streng geheim bleiben. In einer Sitzung in kleinstem Kreise wurde er ermächtigt, den angeblich rettenden Schritt zu tun: Er bestand im Ankauf von Staatsanleihen, den sogenannten Metalliques. Da sie zu 5% verzinslich waren, ergab sich daraus ein Überschuß über die von der Bank selbst ausbezahlten Zinsen. Somit bewährte sich diese Bank – entgegen allen seinerzeitigen Befürchtungen der Wiener Behörden, aber auch entgegen den von ihren Gründern gewälzten Plänen für eine den Handel belebende Institution – als Stütze des Staatskredits, nicht jedoch von Handel und Gewerbe.
Die solchermaßen erworbenen Staatsanleihen in der Höhe von 460.000 fl. zum Kurs von 107,5% wurden bei der Nationalbank als Pfand für etwaig in Anspruch zu nehmende Kredite hinterlegt. Dieser Schritt macht den Beobachter zunächst stutzig: Wenn die Bank ohnehin unter „Geldüberfluß“ litt, weshalb hatte sie Interesse an einem Kredit durch eine andere Bank? Die Antwort liegt in der sich im Jahre 1847 bereits abzeichnenden Wirtschaftskrise, aber auch in der Entwicklung eines bestimmten Geschäftszweiges der Bank, den Hypothekarkrediten.
 

5.) Hypothekarkredite

Der ursprüngliche Beschluß der Bankleitung lautete, diesen Geschäftszweig zurückzustellen, bis die Finanzen der Bank eine solche Verwendung der Gelder zulassen würden. In diesem Beschluß äußert sich das Bewußtsein von der Problematik solcher Kredite. Da aber das eingelegte Geld nach Anlage verlangte, beschloß die Leitung der Bank bereits 1844, auch Kredite auf Immobilien zu vergeben. Sie setzte den Rahmen für Kredite auf Pester Immobilien auf 300.000 fl. fest. Da diese Summe, wie die Bilanz zeigt, bald überschritten wurde, muß entweder die Bank den Rahmen bald erweitert haben, oder aber die restlichen Kredite auf Grund oder Häuser außerhalb Pests vergeben haben. Diese Hypothekarkredite wurden zu folgenden Konditionen erteilt: Der Zins betrug 5%, sie waren ein Jahr lang unkündbar, d.h., die Rückzahlung begann erst nach Ablauf eines Jahres, danach waren halbjährlich 20% zu tilgen.
Die Bilanz der Hypothekarkredite (siehe Anhang) macht deutlich, in welchem Maße sie das Kapital der Bank banden: Obwohl die verliehenen Summen im Verhältnis zum gesamten Stamm-, Reserve- und Einlagen-Kapital nicht allzu hoch waren, erfolgte in den ersten beiden Jahren überhaupt keine Tilgung, und auch nach Einsetzen der Rückzahlungen verblieb die Summe aller vergebenen Darlehen in Höhe von fast einer Million. Das bereitete der Leitung der Bank Sorgen und so versuchte sie sich der Rückendeckung der Nationalbank zu versichern.
Die Bindung des Bankschatzes in Immobilien rief die Kritik des Palatins hervor. Er wies Ende 1846 den Regierungskommissär der Bank, Ede Zsedényi, in einem Brief auf diesen Mißstand hin:

„Die Hauptaufgabe der Handelsbank ist die Beförderung der kommerziellen Verhältnisse, dies wird jedoch schwerlich durch Kredite auf immobiles Vermögen bewirkt. Ich empfehle es der Aufsicht Eurer Excellenz, dafür Sorge zu tragen, daß nur dann Kredite auf immobiles Vermögen vergeben werden, wenn die angesichts des Hauptzweckes des Institutes zu beobachtende Vorsicht und Umsicht dies zulassen.“(10)

Die Ermahnung des Palatins blieb jedoch ohne Wirkung, wie die weitere Vergabe dieser Art von Krediten zeigt. In dem Revolutionsjahr 1848 geriet die Bank daher auch in beachtliche Schwierigkeiten:

„Die Wirren im Februar und März 1848 erschütterten den Handel in ganz Europa. … Die Commercialbank, die fast ihr ganzes Stammkapital in Hypothekar-Anlehen angelegt hatte und zum Escompte- und Vorschuß-Geschäft hauptsächlich das bei ihr deponierte Kapital verwendete, war außerstande, den plötzlich angewachsenen Kreditforderungen Genüge zu leisten.“(11)
 

6.) Wechsel-Escompte

„Auf dem Escompte-Geschäfte lastete es schwer, daß auf den Wechseln die Unterschriften von 3 protokollierten Kaufleuten vorkommen mußten.“(12) Trotz der Vorbehalte Kübecks wurden die Statuten dahingehend modifiziert, daß das Komitee der Wechselzensoren von Fall zu Fall auch solche Wechsel zulassen konnte, die von Nicht-Kaufleuten unterzeichnet worden waren. Durch diese Form der Genehmigung der Statutenänderung wurde vom Hofkammerpräsidenten der Ausnahmecharakter der Diskontierung nicht kaufmännischer Wechsel festgehalten. Für die Bank war jedoch die Gewährung dieser Ausnahme von höchster Wichtigkeit: Es gab in Ungarn nicht viele Wechsel, die Unterschriften von 3 eingetragenen Kaufleuten aufwiesen, eine strenge Befolgung dieser Bestimmung hätte das Wechselescompte daher zu einem bedeutungslosen Posten im Geschäftsleben der Bank gemacht. So aber wurde es zum wichtigsten Bereich.

Die ebenfalls in diesen Jahren entstandenen Aktiengesellschaften zählten zu den Stammkunden der Bank. Diese nahm auch die Wechsel der Pester Walzmühle an, obwohl diese nur mit einer Unterschrift versehen waren(13) und sicher nicht als Wechsel in strengem Sinne gelten konnten, sondern gewöhnliche Schuldverschreibungen waren. Der Pester Zuckerfabrikations-Gesellschaft diskontierte sie ab 1846 die bei ihr angesammelten Wechsel ihrer Geschäftspartner. Bereits am Ende des Jahres erbat sie einen Vorschuß auf die erst in 4 Monaten zahlbaren Wechsel. Im Jahre 1847 erhielt sie einen Hypothekarkredit von 150.000 fl.
 

7.) Vorschüsse

Ab 1843 gab die Bank auch Vorschußkredite, im Jahr 1843 selbst nur auf Wolle, und zwar 198 Sack.
Eine weitere Streitfrage zwischen der Bank und den Wiener Behörden stellten die Vorschußkredite auf Wertpapiere dar: Die Bank wollte bei der Modifizierung der Statuten verschiedene Wertpapiere zulassen, Kübeck bestand jedoch darauf, daß nur die Staatsanleihen als Wertpapiere anerkannt werden dürften, da nur diese sicher seien.
 

8.) Die Krise

Als die ungarischen Kaufleute im Frühjahr 1848 bei der Kommerzbank vermehrt um Kredit ansuchten, konnte die Bank diesen Forderungen nicht nachkommen. Nicht nur, daß fast eine Million ihres Bankschatzes in Hypothekarkrediten gebunden war, das Moratorium des Frühjahrs 1848 beraubte sie auch der daraus einlangenden Zinsen und Tilgungsraten. Die Handelskorporationen, die von nicht-zahlenden Schuldnern und Zahlung fordernden Gläubigern gleichermaßen in die Enge getrieben wurden, traten selbst in Aktion: Bei der designierten ungarischen Regierung suchten sie um Kredit in der Höhe von 3 Millionen(14) an. Die Regierung konnte ihnen gerade eine halbe Million gewähren. Darauf wandten sie sich um einen 2-Millionen-Kredit, der der Kommerzbank erteilt werden sollte, an die Nationalbank. Die Nationalbank erklärte sich bereit, ein gesondert zu verwaltendes Darlehen von einer Million an die Kommerzbank gegen Bürgschaft Letzterer zu gewähren. An dieses Darlehen knüpfte die Nationalbank die Bedingung, daß aus diesem Sonderfonds vergebene Darlehen zu 5% verzinslich sein müßten. Das wollte die Kommerzbank nicht zugestehen, da sie selbst Wechsel zu 6% diskontierte und sich somit selbst eine Konkurrenz geschaffen hätte. Der Kredit wurde schließlich gewährt, aber Ende Juli suchten die Kaufleute erneut um einen Kredit von einer Million an, der aber aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr gewährt wurde. Was nicht erstaunlich ist: Die Nationalbank befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits selbst in einer äußerst prekären Lage.

Die Bindung von Bankkapital durch Hypothekarkredite mag die Krise der Kommerzbank verschärft haben, festzuhalten ist hier jedoch, daß jedes Kreditinstitut ins Schleudern gerät, wenn ihre Kreditoren, die Sparer und Kontenbesitzer, in großer Zahl ihre Einlagen aufkündigen. Das Geschäft einer Bank besteht darin, das ihr anvertraute Geld zu verborgen, um es zu vermehren. (Genaugenommen erweitert sie ihren Kreditrahmen weit über den tatsächlichen Bankschatz hinaus, darin besteht eben ihr Geschäft. Der bei ihr angesammelte Bankschatz dient der Bank nur als Grundlage für die Schaffung von Kredit.) Tut sie das nicht, so geht sie bankrott. Was die Bank an Geld oder Wertpapieren bei sich versammelt hat, kann daher nie zur Deckung aller ihrer Verbindlichkeiten ausreichen.

Bankgesetze versuchen dem Rechnung zu tragen, wenn sie ein Verhältnis zwischen Bankschatz und Kreditvolumen der Banken festlegen. Im Augenblick des Sturmes auf die Banken – wenn eine allgemeine Wirtschaftskrise den Glauben in den Kredit erschüttert hat, wenn die Kredite der Bank mehrheitlich uneinbringlich geworden sind und von den Einlegern irgendein Ereignis zum Anlaß genommen wird, ihrerseits der Bank den Kredit aufzukündigen – so befindet eine Bank unserer Tage sich in der gleichen Situation wie die Pester Kommerzbank im Jahr 1848.
Die Kommerzbank hatte zu diesem Zeitpunkt bereits die Aufgabe erhalten, die Nationalbank des unabhängigen Ungarn zu werden: Im Sommer 1848 begann sie, die sogenannten Kossuth-Noten zu drucken.

Die Euphorie des Chronisten der Bank erscheint angesichts der Tätigkeit der Bank im Vormärz etwas unangebracht:

„Die erste Periode des Bestehens der Bank schloß, wie aus der veröffentlichten Bilanz zu entnehmen, mit wahrhaft glänzenden Resultaten ab.“

Auch die Begründung dafür hält einer Analyse nicht stand:

„Sie konnte einen Reingewinn aufweisen, der weder vorher, noch lange Jahre hernach erreicht wurde.“(15)

Damit ist nur ausgedrückt, daß die Geschäftstätigkeit der Bank auch später einige Jahre lang keine besonders „glänzenden“ Ergebnisse erbrachte.

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(1) Vargha 2, S. 147

(2) Pólya, S. 45

(3) ebd., S. 49

(4) Pólya, S. 87-88

(5) ebd., S. 90

(6) Originalzitat Kübecks, ebd., S. 91

(7) Pólya, S. 96

(8) ebd., S. 97

(9) ebd., S. 101

(10) O.L., Reg. Nádori 2531/1846 k. polg., zitiert nach: Gyömrei 2, S. 262

(11) Pólya, S. 103

(12) ebd., S. 91

(13) Vargha 2, S. 159

(14) Gyömrei 2, S. 263

(15) Pólya, S. 106

 

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