4.) Die ungarischen Eisenbahnen

Der Reichstag 1836 beschloß erstmals ein Gesetz zum Bau von Eisenbahnen. Diskussionen entstanden um das Recht auf Enteignung von Gründen, die für eine etwaige Eisenbahn nötig sein würden. Der schwierige Punkt war, daß das Enteignungsgestz, sofern es in den Zuständigbereich der Krone fiele, oder sobald sie auch nur ein Mitspracherecht bekäme, die Frage des Devolutionsrechtes, des Verfügungsrechtes der Krone über ungarischen Adelsbesitz, berühren würde.(1) Unklar war ferner die Frage der Zuständigkeit: Was ist die Beförderungsgebühr, eine Art Straßen- oder Brückenmaut? Wenn ja, wer setzt sie fest? Die Betreiber der Eisenbahn, oder die Stadt, in der sich der Bahnhof befindet, oder das Komitat, durch welches sie durchfährt? Welche Rechte haben die nicht festsetzenden Instanzen, um zu verhindern, daß die Höhe des Fahrpreises nicht gegen ihre Interessen ausschlägt?(2)
Alle Eisenbahngesellschaften Ungarns wurden als Aktiengesellschaften gegründet. In Ungarn fand nicht, wie in den österreichischen Erblanden, eine Subventionierung durch den Staat statt, die Aufbringung des notwendigen Kapitals gestaltete sich daher entsprechend schwierig.

Die erste Eisenbahn Ungarns war die Pferdebahn von Preßburg nach Tyrnau (Trnava, Slowakei). Die Gründungssitzung der betreffenden AG wurde am 22.1. 1838 in Preßburg abgehalten und ein Stammkapital von 500.000 fl. beschlossen, sowie die offizielle Bezeichnung: »Die Pressburg-Tyrnauer Holz-Eisenbahn«. Bereits vorher, am 15.1. 1838 richteten die Betreiber ein Ansuchen um Genehmigung an den Statthaltereirat. Das Kapital wurde durch Ausgabe von Aktien a 200 fl. CM aufgebracht. Die Verzinsung der Aktien betrug 5%.
Da es in Ungarn kein Gesetz über den Bau von Eisenbahnen gab, wurde das österreichische „Allgemeine Bestimmungen über das bei Eisenbahnen zu beobachtende Concessions-System“ vom 18.6. 1838 abgewartet, das dann auch für Ungarn Gültigkeit erlangte.
Auf der Generalversammlung am 13.5. 1839 wurde die der vom Statthaltereirat verfaßte Genehmigungsvertrag von 1839 verlesen. In ihm wird festgehalten, daß es eine Obergrenze für Beförderungsgebühren geben muß, darüberhinaus wurde von jeder Fixierung des Bahntarifes abgesehen. Die Eisenbahngesellschaft erhielt auf 50 Jahre das Recht, die Fahrpreise zu kassieren. Die Tarife mußten in den Bahnhöfen angeschrieben sein.(3)
Auf dieser Versammlung wurden auch die Fahrpreise festgelegt:
Passagiere Preßburg-Tyrnau 1. Klasse – 15 kr.(Kreuzer), 2. Klasse – 10 kr., 3. Klasse – 8 kr.
Handels-Waren pro Zentner & Meile: 2 1/2 kr., Waren von geringem Wert 2 kr.

Es erwies sich, daß die veranschlagte Summe für den Bau der Bahn nicht genügte. Ein Grund dafür war die Verzögerung des Baubeginns und das in dieser Zeit erfolgte Ansteigen der Preise, ein weiterer eine Änderung der Pläne, um die Bahn in andere, bereits im Planung oder Ausführung befindliche Eisenbahnprojekte, wie die Kaiser Ferdinand-Nordbahn, einzubinden. Im Mai 1841 erließ die Leitung der Gesellschaft daher einen flehentlichen Aufruf, zusätzliche Aktien zu zeichnen – die Rede ist von weiteren 1.500 Aktien zu 200 fl. CM, um den Bau der Bahn fortsetzen zu können. Der Verfasser, Graf Ferenc Zichy, bemerkt darin: „Der größte Teil des bisher verwendeten Kapitals wurde von ausländischen Geldgebern zur Verfügung gestellt, die sich nun der Gefahr ausgesetzt sehen, bedeutende Verluste zu erleiden, sollten die Arbeiten eingestellt werden, und die Bahn nicht bis Tyrnau fertiggestellt werden! – Hier geht es nicht nur um diese Unternehmung, also darum, ob es zwischen Preßburg und Tyrnau eine Eisenbahn geben wird oder nicht, sondern um die wichtigsten nationalen Interessen, um die meisten anderen derzeit geplanten oder bereits bestehenden nationalen gewerblichen oder kaufmännischen Unternehmen; – denn wenn in unserem Vaterlande diese erste, nur 6 Meilen lange Eisenbahn halbfertig abgebrochen würde und infolgedessen die darin investierten Kapitalien verfielen, so wäre nichts natürlicher, als daß der nationale Kredit dadurch Schaden nehmen müßte und wir bei jeder weiteren Unternehmung genötigt wären, lediglich auf unsere eigenen Kräfte zu bauen und auf jede Hilfe von außen zu verzichten …(4) Zusätzlich erließ Kossuth in dieser Zeit im Pesti Hírlap einen Aufruf, Aktien der Eisenbahngesellschaft zu kaufen.(5) In dem oben zitierten, von Zichy verfaßten Dokument wird ferner erwähnt, daß die Strecke bereits bis Szent György (Svät? Jur, Slowakei) befahrbar ist und allein im April 1841 neben der Fracht 5099 Personen befördert hat, daß die Eröffnung eines neuen Abschnittes bis Bazin (Pezinok, Slowakei) unmittelbar bevorsteht.
Der Bau wurde 1839 begonnen. Das Komitat Preßburg hat angeblich 8 Anträge in Fragen des Eisenbahnbaus an die Regierung gemacht, die alle unbeantwortet geblieben sein sollen.(6) Die Preßburger Sparkasse kreditierte den Bau(7), in welchem Ausmaße, ist nicht bekannt.
Die Strecke Preßburg-Tyrnau wurde am 1.6. 1846 eröffnet(8), die Verlängerung der Strecke bis Szered am 1. 11. desselben Jahres.
Erst in den 80-er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde die Bahn von den Staatsbahnen gekauft, auf Dampfbetrieb umgebaut und an andere Strecken angeschlossen.

Eine Bahn wurde von Sopron nach Katzelsdorf (ursprünglich geplant bis Wr. Neustadt) gebaut und am 20.8.1847 in Betrieb genommen. Über ihre Finanzierung ist nichts bekannt.

Das Projekt der linksufrigen oder zentralen Eisenbahn wurde vor allem von Móricz Ullmann betrieben. Mit dem „linken Ufer“ ist die Strecke Pest-Vác gemeint, die Bahn (– im Gegensatz zur geplanten „rechtsufrigen“, die von Sina und Széchenyi gewünscht wurde –), sollte Preßburg, die Stadt des Reichstages, mit Pest, dem Handelszentrum Ungarns verbinden, während die rechtsufrige Variante auf die Verbindung mit Győr erhöhten Wert legte.
Im Oktober 1839 verkündete Ullmann das Programm der Ungarischen Zentral-Eisenbahn, und den Beschluß, das nötige Kapital durch Gründung einer Aktiengesellschaft aufzubringen. Im Vorbereitungskomitee für die Aktienausgabe befanden sich u.a. Rothschild, F. L.Pálffy, Graf Móric Sándor und Ullmann selbst.
Sowohl der Reichstag von 1840 als auch der von 1844 genehmigten das Projekt. Von Wiener Seite scheint es jedoch Widerstand gegeben zu haben. Die ungarische Historikerin Andics führt als Beweis dafür den Plan einer Flügelbahn der Kaiser Ferdinand-Nordbahn an, die von Wien nach Preßburg führen und das Projekt hintertreiben sollte.(9) Hierzu muß bemerkt werden, daß diese Flügelbahn(10) keineswegs im Widerspruch zu der Zentraleisenbahn stand und daß die Betreiber der Preßburg-Tyrnauer-Bahn sogar ein lebhaftes Interesse am Bau dieser Flügelbahn hatten.
7 Jahre nach der Genehmigung der Projektionsarbeiten genehmigte und unterschrieb der Statthaltereirat den Vertrag mit der Aktiengesellschaft am 13.3. 1844. Die Genehmigung lautet von Pest nach Preßburg, von Pest nach Debrecen, sowie Nebenbahnen nach Komárom, Arad, Nagyvárad (Oradea, Rumänien) und Rakamaz.(11)

Andics erwähnt weiters, daß Kübeck, der ebenso wie Metternich gegen den Bau dieser Eisenbahn war, „hinter den Kulissen den Großteil der Aktien der Zentralen Gesellschaft erwarb und damit das Entscheidungsrecht in der Angelegenheit an sich brachte“, ohne jedoch die Quelle zu nennen, aus der sie diese Information bezogen hat. Die an der gleichen Stelle gemachte Behauptung: „Das Endergebnis der vielumstrittenen Angelegenheit war, daß im behandelten Zeitabschnitt, also in den Jahren vor der Revolution 1848/49 weder der linksufrige geplante Bau der zentralen Eisenbahngesellschaft noch die von Sina forcierte rechtsufrige Eisenbahnlinie begonnen wurde, oder auch nur ernstere Schritte dazu unternommen worden wären“(12), ist unrichtig.
Bis zum Zeitpunkt der Genehmigung durch den Statthaltereirat hatten sich die gegnerischen Parteien scheinbar geeinigt, denn Sina richtete zusammen mit den beiden anderen großen Wiener Bankhäusern Arnstein & Eskeles und Rothschild am 25.5. 1844 einen Brief an das Provisorische Comité der ungarischen Zentraleisenbahn, bestehend aus Ullmann und einigen anderen Pester Kaufleuten, in dem sie die Bedingungen für ihre Beteiligung an dem Unternehmen nennen:
Der baldestmögliche Anschluß an die Kaiser-Ferdinand-Nordbahn ist zu betreiben, Verträge abzuschließen, Vermessungen durchzuführen, usw.
Es „soll auf eine Modalität vorgedacht werden, um den Sitz der Verwaltung nach Wien zu verlegen“ und es „sollen die Organe, welche in Ungarn die Bauten und alle sonstigen Einrichtungen leisten, nur an die Vorschüsse der Wiener Verwaltung gebunden sein. –
Die Aktien-Einzahlungen und Empfänge der Dividende sollten in Wien ebenso wie in Ungarn geschehen können. –
Alle disponiblen Gelder sollen in Wien verzinslich so angelegt werden, daß sie nach Bedarf binnen 8 Tagen flüssig zu machen sind.“  (Hervorhebung A. L.)
Es folgen einige Punkte betreffend die Festlegung der Raten für die Einzahlung der Aktien und die Enteignung der Grundbesitzer, über deren Grund die Eisenbahntrasse führen soll: „In der Voraussetzung, daß diese dem Wohl des Unternehmens gewiß nur förderlichen Vorschläge sich der Zustimmung des verehrlichen Comités zu erfreuen haben und die diesfälligen Beschlüsse im Sinne dieser Andeutung gefaßt werden, sind die Unterfertigten bereit, sich mit einer Summe von 2 Millionen dabei zu beteiligen.“(13)

Dieses Angebot enthält den unverhohlenen Anspruch, daß alles in Ungarn eingezahlte Kapital in Wien, d. h. natürlich bei den erwähnten „unterfertigten“ Herrschaften zu „arbeiten“ habe. Die Antwort des Komitees an Salomon Rothschild enthält keine klare Zusage oder Absage. Die Summe von 2 Millionen Gulden war ein Angebot, das sich nicht ohne weiteres ausschlagen ließ, obwohl die Bedingungen möglicherweise nicht ganz im Sinne der ungarischen Mitglieder waren. Vorläufig baten die Mitglieder des Komitees Rothschild nur um die Eröffnung eines Conto Corrent mit 4%-iger Verzinsung der bisher eingenommenen Gelder. Sie hielten also selbst die Anlage in Wien für sicherer als eine in Ungarn. Dies, obwohl zu diesem Zeitpunkt eine Reihe von Sparkassen und die Pester Kommerzbank schon seit einigen Jahren bestanden – nicht nur bestanden, sondern teilweise von Ullmann mitbegründet worden waren.
Das erbetene Conto Corrent wurde ihnen von Rothschild auch gewährt.(14) Dabei verfügte die Zentrale Eisenbahn-AG zu diesem Zeitpunkt bereits über ein Conto-Corrent bei der Pester Kommerzbank, die der Gesellschaft am 22.8. 1844 einen Kredit in der Höhe von 50.000 fl. für den Kauf des Baugrundes für den Pester Bahnhof genehmigte.(15)
Ein Schreiben an den Palatin vom 15.4. 1845 enthält eine vorläufige Bilanz der bisher gezeichneten und teilweise bezahlten Aktien der Zentral-Eisenbahn. Demnach waren von den zu emittierenden Aktien zu diesem Zeitpunkt 338 Stück durch 31 ungarische Aktionäre gezeichnet und teilweise ausbezahlt. (Das veranschlagte Kapital betrug 18 Millionen fl., geplant war die Ausgabe von 72.000 Aktien zu je 250 fl. CM.) Die Summe des bisher in Ungarn eingezahlten Kapitals betrug 84.000 fl. Wieviel von ausländischen Aktionären eingegangen war, geht aus dieser Bilanz nicht hervor.(16)
Sina hatte seinen Plan nicht aufgegeben, wie aus einer Eingabe an den Statthaltereirat aus dem Jahre 1846 hervorgeht: Zusammen mit Eskeles schickte er die Pläne für den projektierten Abschnitt Győr-Gönyű, die Statuten seiner rechtsufrigen Bahn und einen Entwurf für die Tarifgestaltung.(17) (Rothschild hatte sich offensichtlich in das Lager der Zentraleisenbahn-Aktiengesellschaft begeben.) Aus diesem (rechtsufrigen) Eisenbahnprojekt Sinas wurde jedoch nichts.
Die Verbindung von Pest nach Vác wurde am 15. 7. 1846, die von Pest nach Szolnok am 1.9.1847 eröffnet. Angeblich betrug das Eisenbahnnetz Ungarns Ende 1847 167 Kilometer, ungefähr ein Zehntel der Gleiskilometer in den österreichischen Erblanden.(18) Nach der Niederschlagung der Revolution ging die Eisenbahn in Staatsbesitz über.

 

5.) Die Erste Pester Zucker-Fabrikations-Gesellschaft(19)

Das Stammkapital dieser Gesellschaft wurde bei ihrer Gründung am 1. 8. 1844 auf 300.000 fl. CM festgesetzt, für die 3 Arten von Aktien, nämlich „Prioritäts-, ganze und halbe Aktien“ ausgegeben wurden.
Die Prioritäts-Aktien hatten einen Nennwert von 200 fl. CM, die halben einen von 500 fl. und die ganzen einen von 1.000 fl. CM. Die Prioritäts-Aktien waren fix zu 6% verzinslich, die anderen „haben einen verhältnismäßigen Anteil an Gewinn und Verlust der Gesellschaft“ und eine fixe Verzinsung von 5%.
Bei der den Aktionären angedrohten Möglichkeit, für etwaige Verluste der Gesellschaft geradestehen zu müssen, ist eine Erwähnung des ökonomischen Interesses der Mehrheit der Aktionäre notwendig. Die Pester Zucker-Fabrikations-Gesellschaft war eine Raffinerie, und die adeligen Produzenten, die in ihren Zuckerfabriken auf ihren Gütern aus Rüben Rohzucker herstellten, wurden Aktionäre, um ihren Zucker in Pest raffinieren lassen zu dürfen. Der Aktienkauf war sozusagen der Ausweis der Mitgliedschaft und nicht als Geldanlage gedacht. Oft hatten die Zuckerfabrikanten keine eigenen Raffinierungs-Vorrichtungen, oder sie wollten durch Benützung einer zentralen Raffinerie ihre Herstellungskosten verringern.

1845 stellte die Aktiengesellschaft bei der Pester Sparkasse einen Antrag auf Wechselkredit in der Höhe von 60.000 fl., als Unterzeichner wären Lajos Batthyány, Miklós Zichy und János Pejachevich aufgetreten, der Kredit wurde aber verweigert, weil er die Höchstsumme für Wechselkredite überstieg.(20)
Die Gesellschaft trat Anfang 1846 wegen Verwaltung ihrer Portfolio-Wechsel in Geschäftsverbindung mit der Pester Ungarischen Kommerzbank. In diesem Jahr eröffnete sie in Füzitő/Komitat Komárom, und in Kis-Haláp/ Komitat Nógrád, Zweigstellen, und zwar Zuckerfabriken, in denen die Rüben nach dem Schützenbach-Verfahren getrocknet und nach Pest geliefert wurden.(21)

Nach der Bilanz 1846 hatte die Pester Fabrik nach Abzug aller Unkosten, Auszahlung der 6% Zinsen, Tilgung von Schulden usw. einen Reingewinn von 18.666 fl. CM bzw. 9%.(22) So richtig wollte das Unternehmen jedoch nicht gedeihen. Eines seiner Probleme bestand darin, daß sie bei der Raffinierung vertraglich an ein Verfahren – eben das sogenannte Schützenbach-Verfahren – gebunden war, das angeblich zu der Zeit bereits überholt war und weder mengenmäßig noch qualitativ das beste Ergebnis zeitigte. Daher trat auch der erste Direktor der Aktiengesellschaft, Lichtl, zurück, sein Nachfolger wurde Varnhagen.(23)
Das fix angelegte Kapital betrug 1847 202.000 fl.CM, das Betriebskapital 185.000 fl.CM.(24)
Ein bezeichnendes Licht auf den Geschäftsgang der Aktiengesellschaft und die Einhaltung ihrer Verpflichtungen wirft die Tatsache, daß sie 1847 bei der Pester Ungarischen Kommerzbank um einen Hypothekarkredit in der Höhe von 150.000 fl. ansuchte, um die fälligen 6% Zinsen auf die Primäraktien, eine Summe von 100.000 fl., auszuzahlen.(25) Aus dem gemachten Gewinnen konnten diese Zinsen also nicht bezahlt werden, sodaß die Gesellschaft genötigt war, sich zu verschulden. „Die Bank gewährte den Kredit in Anbetracht der Tatsache, daß die Immobilien der Gesellschaft auf 265.998 fl. geschätzt wurden.“(26) In diesem Jahr kam es zu einem Streit zwischen Lichtl und dem neuen Direktor Varnhagen, der angeblich die Bilanz gefälscht hatte und diejenigen Angestellten, die diese Manipulation aufgedeckt hatten, sofort entlassen hatte.(27) Über den Ausgang der Untersuchung ist nichts bekannt. Die Raffinerie war auch 1848 noch in Betrieb(28), sie wird von Fényes in „Ungarn im Vormärz“, erschienen 1851, erwähnt, hat also die Wirren der Revolution überstanden.

Das gesamte Aktienpaket der Pester Zuckerraffinerie wurde übrigens von József Havas, dem Direktor der Pester Ungarischen Kommerzbank, nach der Niederschlagung der ungarischen Revolution einem für seine Finanzkraft in ganz Westungarn bekannten Adligen im Komitat Tolna angeboten. Offenbar war die Kommerzbank in ihrer Eigenschaft als Haupt-Gläubiger der Raffinerie in den Besitz dieser Aktien gekommen.(29)

Am 21. 11. 1852 beschloß die Generalversammlung der Pester Zuckerfabrik, die Aktienzinsen, „auch Dividende genannt“, nur dann auszuzahlen, wenn der Geschäftsgang dies erlaube.(30) Damit ist offenbar die in den Statuten festgelegte 5%-ige bzw. 6%-ige Verzinsung bezeichnet. Daraus läßt sich schließen, daß bis zu diesem Zeitpunkt, also bereits nach 1849, diese Zinsen weiterhin auch dann ausgezahlt wurden, wenn kein Gewinn gemacht worden war.

 

6.) Die Ungarische Handelsgesellschaft

Der Anstoß zur Gründung dieser Gesellschaft kam von Pál Szabó junior, einem ungarischen Großhändler in Triest. Er veröffentlichte in der Zeitung „Pesti Hírlap“, dem Sprachrohr Kossuths, im September 1842 und Jänner 1843 zwei Artikel, in denen er dazu aufrief, Export und Verkauf der ungarischen Agrarprodukte nicht ausländischen Handelsfirmen zu überlassen, sondern eine eigene nationale Handelsfirma zu gründen. Er entwarf großzügige Pläne, den ungarischen Handel mit dem Orient und Amerika in unmittelbare Verbindung zu bringen, wodurch der Zwischenhandel ausgeschaltet, die Importe verbilligt und die Gewinne aus dem Verkauf den ungarischen Grundbesitzern und Händlern zugutekommen sollten.

Diese Idee paßte vortrefflich in Kossuths Konzepte des Aufbaues einer selbständigen ungarischen Industrie, Zollpolitik, eines nationalen Handels usw. Er griff den Plan begeistert auf und machte sich zu seinem eifrigsten Agenten. Der im Mai 1843 eröffnete ungarische Reichstag behandelte die Frage auch – gegen den Willen der Regierung – und beschloß die Gründung der Handelsgesellschaft noch im Juli. Die Gründer veranschlagten ein Stammkapital von 2 Millionen fl., das durch 4.000 Aktien mit einem Nennwert von 500 fl. aufgebracht werden sollte. Am 20. Juli erbat der inzwischen gewählte interimistische Vorsitzende Ábrahám Vay von der Ungarischen Hofkanzlei die formelle Anerkennung der Gesellschaft. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits Aktien im Wert von 138.000 fl. gezeichnet. Unter den ersten Aktionären waren Pál Szabó mit 60.000 fl., Lajos Batthyány mit 20.000 fl., Ábrahám Vay und Móricz Ullmann mit jeweils 10.000 fl. Der größte Teil der in den ersten Tagen gezeichneten Aktien wurde also von 4 Personen gekauft. Der englische Gesandte Blackwell, der nach einem erfolglosen Versuch, selber eine Handelsgesellschaft in Pest zu gründen, diese Vorgänge aufmerksam beobachtete, schickte das im „Pesti Hírlap“ erschienene Programm (ins Englische übersetzt) an den englischen Botschafter in Wien, Gordon. Der Übersetzung war die Bemerkung beigefügt, daß die Gesellschaft notgedrungen scheitern müsse, weil sie ihre Kräfte, sprich ihre Kapitalstärke, heillos überschätze.(31)
Die ungarischen, vor allem die Pester Kaufleute zeigten keine große Begeisterung für die Zeichnung der Aktien. Sie fürchteten wohl die Konkurrenz der Gesellschaft. Bis Jahresende 1843 wurden insgesamt Aktien in der Höhe von 443.000 fl. gezeichnet. Außer von den bereits erwähnten Aktionären Szabó und Ullmann wurden noch ganze 10 Aktien von Mitgliedern des Handelsstandes gezeichnet. Auch die Komáromer Schiffs-Assekuranz, die sich in dieser Sache um Aktionäre bemühte, vermeldete mangelndes Interesse aus ihren Kreisen, obwohl diese Gesellschaft seinerzeit von den größten Getreidehändlern Ungarns gegründet worden war.(32)

Die vorläufige Gründungssitzung der Gesellschaft wurde am 3.12. 1843 in Preßburg abgehalten, obwohl die bis zu diesem Zeitpunkt gezeichneten Aktien weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben waren. Bei diesem Anlaß wurde festgelegt, daß die Gesellschaft am 1.6. 1844 ihre Tätigkeit aufnehmen werde.
Die Gesellschaft hatte von Anfang an mit politischen Hindernissen zu kämpfen. Die Regierung sah in ihr ein weiteres Indiz für die Unabhängigkeitsbestrebungen in Ungarn, wollte sie aber auch nicht verbieten, um die Gemüter nicht weiter zu erhitzen. Die Kompromißlösung bestand darin, ihre Registrierung als reine Handelsgesellschaft wohl zu gewähren, aber die Nennung des Namens der Gesellschaft in den Zeitung durch die Zensur verbieten zu lassen. Das stellte ein schweres Hindernis dar, da auf diese Weise alle Werbung in eigener Sache, Aufrufe zu Aktienzeichnung, Ankündigungen aller Art verunmöglicht wurden. Dieses Verbot wurde jedoch von der Zensurbehörde zurückgezogen, nachdem Kossuth deswegen beim Reichstag Beschwerde eingelegt hatte.

Die endgültige Gründungssitzung fand am 5. Mai 1844 in Preßburg statt. Bis zu diesem Zeitpunkt waren 1132 Aktien gezeichnet worden, d.h., eine Summe von 566.000 fl. Allerdings waren bis zum Ende des Jahres 1844 erst ungefähr 224.000 fl. eingezahlt, standen also der Gesellschaft tatsächlich zur Verfügung. Nach der Gründungssitzung begann die Ausarbeitung der Statuten. Die Vorstandsmitglieder – Kossuth, der Seidenfabrikant Valero, der Kaufmann Friedrich Liedemann und 2 weitere Personen – waren sich über die Frage uneinig, ob eine Dividende zu zahlen sei, wenn der Geschäftsgang dies eigentlich nicht erlaube. Schließlich wurde doch die Dividendenzahlung beschlossen, am Jahresende zahlte die Gesellschaft sowohl Dividende als auch Zinsen.
Auch die Frage der Leitung der Gesellschaft war für die Vorstandsmitglieder nicht einfach zu beantworten. So Kossuth: „Es liegt in der Natur des Handels, daß er kollegiale, bzw. kollektive Leitung schlecht verträgt. Bei ewiger Versammlerei läßt sich kein Handel treiben. Es liegt aber ebenso in der Natur einer Gesellschaft, daß sie nicht ihre ganze Existenz der Einsicht und dem Geschick eines Einzelnen unterordnen kann. Diese beiden Gesichtspunkte unter einen Hut zu bringen ist sehr schwierig … “(33)
Schließlich wurde beschlossen, die Leitung der Geschäfte dem Direktor – Pál Szabó – anzuvertrauen, und ein 7-köpfiges Gremium mit Kontrollbefugnis einzusetzen, dem der Direktor mindestens einmal monatlich Bericht zu erstatten hatte.

Wie die Praxis später zeigte, war die Kontrolle dieses Gremiums noch dadurch eingeschränkt, daß seine Mitglieder ihre Aufgabe ehrenamtlich ausübten und daher nicht dazu verpflichtet werden konnten, ihre Aufmerksamkeit in nötigem Maße darauf zu verwenden, die Tätigkeit des Direktors ständig einer Prüfung zu unterziehen. Das wurde schließlich der Aktiengesellschaft zum Verhängnis.
Pál Szabó, der so zum Direktor, sozusagen zum alleinigen Manager dieser Aktiengesellschaft wurde, war der Sohn eines Győrer Getreidehändlers, hatte in Hamburg und Triest eine kaufmännische Lehre gemacht und war Mitinhaber einer Triester Handelsfirma. Mit diesem Lebenslauf galt er in Ungarn als Mann von Welt, der sich im internationalen Handel bereits bewährt hatte, und somit als der beste, genaugenommen der einzige Kandidat für diesen Posten. Schließlich, auch das darf bei der patriotischen Ausrichtung der Ungarischen Handelsgesellschaft nicht übersehen werden, war er weder Jude noch Deutscher noch entstammte er einer anderen ausländischen (griechischen, armenischen) Kaufmannsdynastie, sondern er war ein echter Ungar.
Die ersten Schritte der Gesellschaft waren von Erfolg gekrönt. Sie verkaufte Raps nach Belgien, wo die Rapsernte in diesem Jahr fast vernichtet worden war. Die erste Lieferung wurde mittels Rembourskredit über eine Amsterdamer Bank verrechnet, die restlichen Lieferungen über Wechsel, die die Ungarische Handelsgesellschaft auf Rechnung der belgischen Importeure auf zwei Pariser Bankhäuser, Todros Freres und Fould Oppenheim trassierte.(34)
Die nächste Lieferung sollte mit einem Vorschuß-Wucher-Kredit [siehe Teil III../1./4.) Modalitäten der Kreditvergabe. Vorschuß- und Warenkredit] verbunden werden, damit hoffte der Direktor Szabó alle ausländischen Konkurrenten zu unterbieten. Vermutlich hatte er das Angebot an den belgischen Händler hinter dem Rücken der Aufsichtsratsmitglieder gemacht, denn unter den Aktionären der Handelsgesellschaft befanden sich viele adelige Grundherren, die der Inhalt dieses Angebots sehr entrüstet hätte. Der belgische Geschäftspartner bat auch seinerseits, die Bedingungen dieses Geschäfts geheimzuhalten, um die Konkurrenz nicht auf diese vorteilhafte Form der Preisgestaltung aufmerksam zu machen. Aus dem Geschäft wurde schließlich nichts, da die ungarische Rapsproduktion zu dem damaligen Zeitpunkt nicht auf solche Exportmöglichkeiten angelegt war und der Preis für Raps daher aufgrund der umfangreichen Rapsaufkäufe der Ungarischen Handelsgesellschaft auf 8 fl./Star stieg. Daraufhin bezog die Handelsgesellschaft Raps aus Polen und Rumänien und erfüllte damit ihre Lieferverpflichtungen, offensichtlich von der Einsicht geleitet, daß Patriotismus und erfolgreiche Geschäfte einander manchmal im Wege stehen können. Insgesamt verkaufte die Gesellschaft 83.000 Metzen Raps nach Belgien und verdiente daran 26.000 fl.
Ansonsten lieferte die Gesellschaft Luzerne nach Prag und Pflanzenöl nach Graz, sowie Wein nach Rio de Janeiro. Sie erhielt Bestellungen auf Senfkörner, Schmalz und Speck. Sobald sie jedoch Zeitungsinserate aufgab, in denen der „unbegrenzte“ Aufkauf dieser Waren in Ungarn angeboten wurde, so war der einzige Effekt das Steigen der Preise dieser Produkte, Lieferanten meldeten sich jedoch keine. So mußte die Gesellschaft den Stand der agrarischen Produktion zur Kenntnis nehmen, die außer Wein und Weizen keinerlei Produkte in genügender Menge zur Verfügung stellen konnte, um damit größere Exportgeschäfte abzuwickeln. Weiters exportierte die Gesellschaft Möbel, Gewebe und Herender Porzellan nach Rumänien.

Die größte Schwierigkeit stellte der Transport dar. Alle Waren, die über den einzigen Hafen Ungarns, Fiume (Rijeka, Kroatien), ausgeführt wurden, mußten auf dem Wasserweg die Donau hinunter bis Vukovár, dann auf der Save bis Karlovac und dann auf dem Landweg über unwegsames gebirgiges Gebiet bis Fiume transportiert werden. Über Triest wäre die Ausfuhr in dieser Hinsicht weniger problematisch gewesen, aber da war die Zwischenzollinie zu überqueren und hoher Transitzoll zu entrichten. Der langwierige Transport hatte eine überaus lange Bindung des Kapitals zur Folge und verlangsamte so das Abschließen neuer Geschäfte.

Der Bericht der Gesellschaft Ende des ersten Geschäftsjahres spricht von einer vorübergehenden Einstellung der Aktienemission, „da wir aufgrund des positiven Geschäftsganges über günstigere Kreditmöglichkeiten als die Aufstockung des Stammkapitals verfügen.“(35) Er weist nach Abzug von Unkosten und Aktien-Zinsen einen Reingewinn von 16.698 fl. CM aus. Der Aufsichtsrat empfahl, eine Dividende von 7% auszuschütten und die verbleibenden 22.000 fl. in den Reservefonds zu legen.
Dieses erfreuliche Ergebnis hatte eine Statutenänderung zur Folge, die die Selbständigkeit des Direktors noch erhöhte und dem Aufsichtsrat nur nachträgliche Kontrolle gestattete. Über die Procura verfügte von da ab nur mehr Szabó.

Pester Kaufleute, für die die Gesellschaft eine unliebsame Konkurrenz darstellte, streuten nachteilige Gerüchte aus, zu denen es aber auch einigen Anlaß gab. Die Aktien der Gesellschaft standen laut einem Brief Kossuths an Miklós Wesselényi gegen Ende 1845 auf 75% ihres Nennwertes. Móricz Ullmann versicherte Széchenyi im Oktober 1845, daß die Gesellschaft vor dem Zusammenbruch stehe.
Und tatsächlich mehrten sich die Verluste und die Beschwerden über die Selbstherrlichkeit des Direktors, der Termine verfallen ließ, sich Geschäftspartnern gegenüber Grobheiten erlaubte und sich bei der Buchführung Ungenauigkeiten zuschulden kommen ließ. Die Bilanz des zweiten Geschäftsjahres wies einen Verlust von 84.000 fl. aus. Szabó machte dafür die Unzuverlässigkeit der heimischen Lieferanten verantwortlich, die ihre Verpflichtungen meist unpünktlich erfüllten. Die Generalversammlung vom 27. August 1846 beauftragte 3 Aktionäre, Friedrich Liedemann, Kunewalder und Antal Valero mit der Überprüfung der Bilanz, und sie stellten einen zusätzlichen Verlust von 19.000 fl. fest, außerdem unsichere Außenstände in der Höhe von weiteren 19.000 fl. Kossuth schreibt in einem Brief von 53 geplatzten Wechseln der Gesellschaft, gegen die im Ausland Wechselprotest eingelegt worden war.
Szabó wartete die weiteren Ereignisse nicht ab und floh mit einem fremden Paß über England nach Amerika. Der Aufsichtsrat ernannte einen Interimsdirektor und einen vorläufigen Vorsitzenden. (Batthyány war bereits in der ersten Hälfte des Jahres zurückgetreten.) Im November beliefen sich die Verluste der Gesellschaft bereits auf 160.000 fl. Im Dezember beschloß die Generalversammlung, gegen Szabó ein Verfahren anzustrengen. Der Vater Szabós erbot sich, den Schaden, den nachweislich sein Sohn angerichtet hatte, – eine Summe von 30.400 fl. abzüglich des Privatvermögens von Szabó Junior in der Höhe von 6.000 fl. – zu begleichen, wenn die Gesellschaft von einer Klage Abstand nehmen würde. Der Aufsichtsrat nahm das Angebot an und sah von strafrechtlicher Verfolgung ab.
Die Geschäfte gingen kurzfristig etwas besser, die Aktionäre zahlten ihren fälligen Anteil ein, die Aktien stiegen.
An höchster Stelle wollte man die Sache nicht ohne weiteres auf sich beruhen lassen. Der Landesrichter György Majláth ermahnte den Ungarischen Kanzler Apponyi, die Angelegenheit nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Szabó schickte aus New York eine Verteidigungsschrift, in der er die Verluste geringer ansetzte, sein zur Deckung herangezogenes Privatvermögen höher veranschlagte. Schließlich beruhigten sich die Gemüter, die Angriffe auf die Gesellschaft verstummten, sie selbst bestand fort. Aus den Bilanzen der Jahre 1847 und 1848 läßt sich jedoch schließen, daß ihre fernere Geschäftstätigkeit völlig bedeutungslos war. Der Grund dafür liegt nicht nur in den Geschehnissen des Jahres 1846, sondern auch in der allgemeinen Wirtschaftslage. Eine europäische Wirtschaftskrise, Steigen des Zinsfußes, Fall der Preise für landwirtschaftliche Produkte und Mißernten in allen Teilen Ungarns stellten die denkbar ungünstigsten Bedingungen für eine Handelsgesellschaft dar. Sie machte auch in den folgenden Jahren nur Verluste und wurde 1852 aufgelöst.
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Im Jahre 1840 verfaßte der Sekretär des Palatins Joseph, Schedius, – aus Anlaß eines Gesuchs Sinas wegen der Kettenbrücke –, eine Aufstellung aller bereits existierenden und geplanten Aktiengesellschaften in der Monarchie: Er kommt auf eine Summe von 183,5 Millionen Gulden CM, die innerhalb der Monarchie aufgebracht werden müssen und fügt noch hinzu, daß auf dem Geldmarkt noch die Konkurrenz ausländischer Eisenbahngesellschaften in Betracht zu ziehen ist, namentlich „der Warschauer, Florenz-Livorneser, Breslauer, Leipzig-Dresdner, … die doch in Wien ebenfalls Absatz suchen, dort ihre Agenten haben und effektiv negoziert werden.“

Von den 183,5 Millionen fl. entfallen auf ungarische Unternehmungen:
Kettenbrücke                                                                    xxxxxxxx5       Mill.
Ungarische Dampfmühle (Pester Walzmühle)                 xxxxxxxxx  0,5     Mill.
Eisenbahn Preßburg-Tyrnau                                             xxxxxxxx 0,5     Mill.
Ungarische Zentral-Eisenbahn                                       xxxxxxxllx12        Mill.
Wien-Raaber Eisenbahn                                                 xxxxxxxx 12,5     Mill.
Fortsetzung derselben bis Ofen                                        xxxxxxxxx8       Mill
Pester (Kommerz-)Bank                                                        xxxx x4        Mill.
Donau-Theiss-Kanal (nicht zustandegekommen)       xx x xxxxx xxx 6       Mill.
Eszéker Kanal                   "                 –                "                 xxx 0,5     Mill.
Insgesamt:                                                                        xxxxxx 49     x Mill.(36)

Diese Summe war, wie man im Nachhinein feststellen kann, zu hoch angesetzt. Schon zum Zeitpunkt dieser Aufstellung standen die Bahn nach Győr (Wien-Raaber Bahn) oder rechtsufrige Bahn in offener Konkurrenz zur zentralen oder linksufrigen Bahn, es handelte sich um den Streit „entweder-oder“. Die Kanäle wurden bis zur Revolution nicht gebaut, und das angestrebte Stammkapital der Pester Kommerzbank – übrigens laut Statuten nur 2 Millionen Gulden – wurde bis 1848 nur zur Hälfte erreicht. Auf die in Schedius’ Zusammenstellung erwähnten Projekte konnten also höchstens 20 Millionen fl. CM entfallen.

Dafür sind die ungarischen Sparkassen, die Zucker-Raffinerie und die Ungarische Handelsgesellschaft hier noch nicht erwähnt.

 

7.) Fazit

Bei allen Aktiengesellschaften war das Aktienkapital in Raten einzuzahlen, im Falle der Ungarischen Handelsgesellschaft im Verlauf von 5 Jahren, sodaß das veranschlagte Stammkapital, wenn überhaupt alle Aktien gezeichnet worden wären, erst nach 5 Jahren erreicht worden wäre. Bei einigen Sparkassen Ungarns wurde das projektierte Stammkapital von 30.000 oder 40.000 fl. bis zur Revolution nicht erreicht. Diese Form der Aktienzahlung war ebenso wie die fixe Verzinsung der Aktien ein Zugeständnis an die und gleichzeitig ein Eingeständnis der Kapitalarmut in Ungarn. Ohne das Versprechen einer fixen Verzinsung zusätzlich zu einer in Aussicht gestellten Dividende wäre überhaupt niemand bereit gewesen, sein Kapital in einer ungarischen Aktiengesellschaft anzulegen. Der Grund dafür liegt nicht darin, daß gar niemand überschüssiges Kapital hatte. Die größten Händler Pests, wie Móricz Ullmann oder Friedrich Kappel, aber auch Aristokraten wie Széchenyi gaben ihr Kapital eher bei Wiener Großbankiers in Verwahrung, als es in Ungarn gewinnbringend anzulegen. Ullmann und die anderen Mitglieder des Komitees der Zentralen Eisenbahn legen das ihnen anvertraute Kapital lieber in die Hände Rothschilds als in diejenigen eines ungarischen Kreditinstituts.

Die Geschichte der ersten Aktiengesellschaften Ungarns gibt ihnen scheinbar recht. Sofern über deren Geschäftsgang Informationen erlangt werden konnten, wollte keine so richtig florieren, ob sie jetzt im industriellen Sektor oder in dem des Handels angesiedelt war. Lediglich die Geldinstitute weisen gewisse Erfolge auf. Bei kaum einer der Aktiengesellschaften wurde das projektierte Stammkapital erreicht, oder, wie bei der Walzmühle, erwies es sich als viel zu gering.
Mit dieser Form des Anziehens von Fremdkapital durch das Versprechen von sicheren Zinsen, sogar Gewinn über dem üblichen Zinsfuß durch die in Aussicht gestellte Dividende, schaufelten sich diese Aktiengesellschaften nämlich ihr eigenes Grab. Sie mußten schließlich diese Zahlungen aus dem geschäftlichen Gewinn leisten, der damit dem Unternehmen entzogen wurde und nicht für Investitionen oder auch nur für den Ankauf von Waren zum Beginn eines neuen Produktionskreislaufes bzw. für eine neue Lieferung verwendet werden konnte. Außerdem hatten sie sich mit der fixen Zinsenzahlung das Prinzip in die Statuten geschrieben, auch dann Geld an die Aktionäre auszuzahlen, wenn kein Gewinn gemacht worden war, ein Prinzip, das erst nach dem Vormärz aufgegeben wurde, wie sich aus dem Beschluß der Ersten Zuckerfabrikations-Aktiengesellschaft erkennen läßt. Somit bestand der Preis dafür, fremdes Kapital an sich zu ziehen, darin, auf Eigenkapitalbildung mehr oder weniger verzichtet wurde. Damit wurde freilich die Kreditabhängigkeit auf erhöhter Stufenleiter ständig reproduziert. Das Weiterbestehen dieser Aktiengesellschaften konnte daher oft nur durch weitere Aktienausgabe bewerkstelligt werden, oder durch großzügige Zuwendungen von Patrioten, denen das Unternehmen aus dem einen oder anderem Grunde am Herzen lag – also durch aus nicht-ökonomischem Interesse geleisteten Zahlungen.

Die Auswahl der hier angeführten Aktiengesellschaften erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, es gab viele, zum Teil eher kurzlebige Gesellschaften dieser Art. Die hier behandelten waren jedoch die wichtigsten und können für den behandelten Zeitraum durchaus als repräsentativ angesehen werden.

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(1) Újhely, S. 37-39

(2) ebd., S. 42-43

(3) ebd., S. 44

(4) O. L., Jntl., 95. csomó (Praesidialia), LXVI/1841 (Original in etwas wirrem Ungarisch, Übersetzung sinngemäß, nicht wortwörtlich)

(5) Újhely, S. 68

(6) Andics, S. 176

(7) Vargha 2, S. 117

(8) O.L., N 22 Jntl, 99. csomó (Praesidialia), XCII/1846

(9) Andics, S. 185, Fußnote

(10) Übrigens herrschte über diese Flügelbahn auch bei den wichtigsten Männern der Monarchie keine traute Einigkeit:
„Kolowrat: ... sehen Sie, es geht nicht – wir zwei, der Fürst Metternich und ich, meinen es beide redlich und ich habe die größte Achtung für den Verstand und den Charakter des Fürsten, aber wir können uns nimmermehr verstehen. Der Fürst nimmt immer den Ton der Belehrung gegen mich an, sagt mir, daß 5 und 3 nur 8, 5 mal 3 aber 15 sei, daß zwischen den Wörtchen dann und mal ein großer Unterschied bestehe, worauf man in der Regierung reflektieren müsse, daß alle Ereignisse im Zusammenhange stehen und daher der Opium-Streit der Chinesen und Engländer nicht ohne Reflex auf unsere Finanzen bleiben könne usw., und das sagt er mir, wenn ich ihn frage, ob er einverstanden sei, daß der Nordbahn eine Flügelbahn von Wien nach Preßburg zu bewilligen sei … “
(Kübeck-Tagebücher, S. 847, Eintragung vom 27.12.1839)

(11) Rakamaz ist eine kleine Ortschaft im Komitat Szabolcs, bei Gáva, warum dort eine Bahn hin sollte, ist der Verfasserin unklar.

(12) Andics, S. 186

(13) O. L., Jntl, 54. csomó (Misc. off.), IX/1844

(14) ebd.

(15) Pólya, S. 97

(16) ebd., XXI/1845

(17) O. L., Jntl, 100. csomó (Praes.), XXIII/1846

(18) Csíkvári Jákó, A közlekedési eszközök története, Budapest 1883, S. 6 & 139, zitiert nach: Andics, S. 186

(19) Statuten siehe Anhang

(20) Fenyvessy, S. 86

(21) Wiener, S. 106

(22) Budapesti Híradó, 498/1846, zitiert nach: Wiener, S. 116

(23) Magyar Gazda 50/1847, zitiert nach: Wiener, S. 116

(24) Fényes, Ungarn im Vormärz, zitiert nach: Wiener, S. 116

(25) Hazánk 49/1847, zitiert nach: Wiener, S. 117

(26) Pólya, zitiert nach: Wiener, S. 117

(27) F. L., Rel. 14106

(28) Wiener, S. 117

(29) Glósz, S. 37

(30) Pester Zeitung, 21. 11. 1852

(31) J. A. Blackwell, Extracts from letters adressed to Sir Robert Gordon, Akadémiai kézirattár. Jogt. 4. r. XI, S. 41. Zitiert nach: Gyömrei 1, S. 214

(32) Gyömrei 1, S. 215

(33) ebd., S. 218

(34) ebd., S. 220

(35) Hetilap, 28. 10. 1845, zitiert nach Gyömrei 1, S. 224

(36) O. L., Jntl, 47. csomó, (Ep. off.), III/1840

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