VI. DER GRUNDBESITZ

 

Der Grundbesitz der Sinas war – zumindest in den 40-er und 50-er Jahren des vorigen Jahrhunderts – gewaltig. Georg Sina galt als der größte Grundbesitzer Ungarns. Etwas geringer waren die Besitzungen des Bankhauses in den Erblanden und in Böhmen und Mähren.
Auch an Häusern in diversen Städten der Monarchie herrschte kein Mangel. Ein Chronist des Vormärzes schrieb: „So lebte in Wien der griechische Großhändler Sina, welcher schon um das Jahr 1827 so viele große Häuser besaß, daß man die damaligen großen Zinssteigerungen vorzugsweise ihm zuschrieb. “

Der Grunderwerb entsprang zunächst einer Verlegenheit der Bankiers: Wohin mit dem vielen Geld? In Häusern, in Grund und Boden „parkten“ sie sozusagen einen Teil ihres Vermögens, das auf diese Art zwar keine so hohen Gewinne abwarf wie Handel und Geldverleih, aber eine zusätzliche und auch regelmäßigere Einkommensquelle darstellte.

Durch den Erwerb vormals dem Adel gehöriger Güter suchten die Bankiers, die nicht aus dem Adelsstand und oftmals auch nicht aus Österreich stammten, ihre Integration in die bessere Gesellschaft der Monarchie zu befördern – mit wechselndem Erfolg. Diese Akzeptanz hing nämlich sehr von der anderen Seite, den Mitgliedern des Hochadels ab. Diese verübelten es den Emporkömmlingen, daß sie ihre eigenen Standesgenossen aus ihren angestammten Besitzungen „verdrängt“ hatten und zeigten den Bankiers die kalte Schulter – außer, sie brauchten wieder einmal Geld. Diesen Klassenhaß mußte Georg Sina als wirkliches Hindernis bei vielen seiner Unternehmungen wahrnehmen, auch seinem Sohn soll er – obwohl er eher wegen seiner wohltätigen Stiftungen von sich reden machte, als durch seine Handelstätigkeit – schwer zu schaffen gemacht haben.

Schließlich erhöhte der Grundbesitz die Kreditwürdigkeit der Bankhäuser. Als sich 1846 die wirtschaftliche Krise ankündigte, vermerkte ein Beobachter: „Man fängt an, nur mehr jenen für reich zu halten, der einträgliche Realitäten besitzt und wird deshalb auf Baron Sina immer mehr aufmerksam. “ Beim Grundbesitz besaßen die Sinas einen großen Vorsprung auf ihre jüdischen Konkurrenten, die in Ungarn keinen adeligen Besitz erwerben durften(1), und denen auch in anderen Teilen der Monarchie alle nur erdenklichen Hindernisse in den Weg gelegt wurden.

 

1. Städtische Immobilien

Für Häuser und Immobilien innerhalb der Stadtgrenzen galten anderen Regelungen als für den adeligen Grundbesitz, Kauf und Verkauf derselben waren viel einfacher. In Ungarn unterlag der städtische Grundbesitz nicht den Bestimmungen der Avitizität, konnte daher problemlos veräußert werden und war auch hypothekfähig.

Die ersten Immobilien, die die Sinas erwarben, waren Stadthäuser, und zwar in Wien. In einem Akt von 1812 schreibt der „Hausadministrator“ der Sinas: „In den Häusern des Herrn Sina wohnen auch mehrere hohe und niedere Staatsbeamte …“ Die Rede ist sowohl von Wohnungen als auch von „Gewölben“, also Geschäftslokalen, die in diesen Häusern vermietet wurden.

Das war im Jahr nach dem Staatsbankrott von 1811. Diesem Staatsbankrott war eine bis dahin unbekannte, durch verlorene Koalitionskriege und erstmals in großem Ausmaß betriebene staatliche Gelddruckerei bedingte Inflation vorangegangen. Eine der Möglichkeiten, Bargeld vor Entwertung zu sichern, war der Kauf von Immobilien. Die Sinas hatten sich dieser Möglichkeit bedient.

In Pest besaßen die Sinas viele Häuser am Vörösmárty-tér und in dessen Umgebung. 1840, als die Immobilien ganz Pests nach der Hochwasserkatastrophe von 1838 neu vermessen und geschätzt wurden, machte der Wert der Sinaschen Grundstücke und Häuser, die sich in dieser Zone befanden, insgesamt 93.313 fl. CM aus.

 

2. Landgüter

2. 1. Die Anfänge des Imperiums

Der erste Landbesitz, den die Sinas – noch unter der Leitung des älteren Simon Sina – erwarben, waren 1814 die Herrschaften Teplitz und Bistritz (Teplička nad Vahom, Nová und Stará Bystrica, Slowakei) im Komitat Trentschin von einem Grafen Brentano Cimaroli. Die Sinas zahlten 250. 000 fl. WW in bar, der Rest des Kaufpreises bestand im Auszahlen der Schulden des Vorbesitzers. Die Höhe dieser Summe ist unbekannt.

Es folgten 1818 die Ortschaften Kizdia (Chizdia oder Coşari, Rumänien) und Hodos (Hodoş, Rum.) im Temeser Banat. Sie gehörten zur Herrschaft Blumental des Feldmarschalls Schwarzenberg. Im Ansuchen Schwarzenbergs wird erwähnt, daß die Sinas zu diesem Zeitpunkt bereits „Realitäten“ in Ungarn besaßen. Wie die Sinas den Besitz ihrer Trentschiner Realitäten legalisiert hatten, ist unbekannt. Vielleicht bedienten sie sich auch hier eines Strohmannes. Mit dem Kauf der Banater Ortschaften erhielten – kauften(2) – sie nämlich nach den ungarischen Gesetzen gleichzeitig den (einfachsten) ungarischen Adelstitel, „von“. Und erst mit dem ungarischen Adel erhielten sie die rechtliche Möglichkeit, ungarische Herrschaften zu erwerben.

Der letzte Besitz, der noch von Simon Sina erworben wurde, war 1821 Simontornya in Westungarn vom Grafen Karl Eszterházy von Galantha. Die Sinas kauften die Herrschaft um 1. 000 Golddukaten und 685. 000 fl. CM in Silber. Davon entrichteten sie rund 201. 000 in Bargeld an den vormaligen Besitzer, den Rest in der Form, daß sie die auf Simontornya intabulierten Schulden Eszterházys auszahlten. Manche Schuldner Eszterházys versuchten nachträglich, Schulden intabulieren zu lassen und von den Sinas einzutreiben, wahrscheinlich ohne Erfolg. Simon Sina instruierte den Gutsverwalter: „Sollte jemand mutwillig einen Prozeß führen wollen, so steht es ihm frei, denn von Prozessen lassen wir uns nicht scheu machen“. Aus den Akten geht ferner hervor, mit welcher Feindseligkeit andere ungarische Adelige den Grundkauf der Kaufmannsfamilie zur Kenntnis nahmen. Sie bestürmten offenbar Eszterházy, das Gut nicht an die Sinas zu verkaufen, mußten aber dem Verkauf tatenlos zusehen, weil sie selber nicht die finanziellen Mittel besaßen, über die die Sinas verfügten.

 

2. 2. Die Grundkäufe der 30-er Jahre. Die Hilfe Eichhoffs

Dem Kauf eines Landgutes standen im Vormärz viele rechtliche und bürokratische Hindernisse im Weg. Vor allem bei den unklaren Eigentumsverhältnissen in Ungarn gab es oft mehrere Anspruchsberechtigte auf das Gut oder auf Teile desselben. In den Erblanden erwarb Georg Sina einige Herrschaften aus dem Religionsfonds, die im Zuge der Reformen Josephs II. in Staatsbesitz übergegangen waren, wo aber noch Ansprüche kirchlicher Institutionen bestanden. Einige Herrschaften kaufte Georg Sina in einem Leibrenten-Vertrag von Personen, die kinderlos geblieben waren. Solche Transaktionen berührten das Devolutionsrecht der Krone, nach dem herrenloser Landbesitz in den Besitz der Herrscherfamilie überzugehen hatte. Schließlich waren alle diese Besitzungen mit Schuldforderungen und Abgabenverpflichtungen aus mehreren Jahrhunderten belastet, deren Abgeltung oder Übernahme in dem auch damals schon umfangreichen Dschungel rechtlicher Bestimmungen jahrelang steckenbleiben konnten. In den Erblanden wurden in Staatshand befindliche Güter mittels Versteigerung veräußert. Hier war es nützlich, die Anbote oder Voranzahlungen der Mitbieter rechtzeitig zu kennen, um sie überbieten zu können.
Zur Bewältigung all dieser Schwierigkeiten war es äußerst hilfreich, auf das Wohlwollen eines oder mehrerer einflußreicher Mitglieder der Staatsverwaltung zählen zu können. Seinen Gönner fand Georg Sina in der Gestalt des Hofkammerpräsidenten Joseph von Eichhoff, mit dem ihn eine geheimnisvolle Freundschaft verband. Die umfangreichsten Grundkäufe der Sinas fielen daher in die Zeit der Präsidentschaft Eichhoffs, in die Jahre 1834-1840.(4)

Mit seiner Hilfe – Eichhoff war damals noch nicht Präsident der Hofkammer, aber bereits der wichtigste Mann nach dem damaligen Präsidenten – erwarb Georg Sina 1833 die Religionsfonds-Herrschaft Mauerbach und die Staatsherrschaft Fahrafeld. Bei Mauerbach hatte Sina einen prominenten Konkurrenten: Kaiser Franz hätte diese Herrschaft nämlich selbst gerne gekauft. Er hätte 250. 000 fl. dafür bezahlt, Sina überbot ihn um 60. 000 fl. und erhielt den Zuschlag. Es ist anzunehmen, daß Eichhoff Sina rechtzeitig informierte, daß angesichts der Stellung des Mitbieters ein deutlich höheres Angebot vonnöten sei.

Es folgten 1835 die Kameral-Ortschaften Orczidorf (Orţişoara, Rum.) und Kalacsa (Călacea, Rum.) im Temeser Banat. Hier wurde von Eichhoff nach Ende der Bewerbungsfrist die Person, die den bis dahin höchsten Preis geboten hatte, unter einem Vorwand zurückgestellt und das noch höhere Angebot Sinas angenommen.
Im gleichen Jahr kaufte Georg Sina Trentschin und Bán (Banovce nad Bebravou, Slow.) im Komitat Trentschin und Brumov in Mähren sowie diverse Häuser in Preßburg mittels eines Leibrenten-Vertrages vom kinderlosen Grafen Stephan Illésházy. „Stephan, als letzter männlicher Sproß der Familie, mußte seine drei Schwestern bar auszahlen, dadurch wurden die Besitzungen nochmals beträchtlich belastet.“ Er verkaufte die Güter an Sina um 1,5 Millionen Gulden, wovon ihm nach Abzahlung der Schulden zuwenig übrig geblieben wäre, um ein standesgemäßes Einkommen zu erhalten. Sina verpflichtete sich zur Zahlung von 34. 000 fl. CM jährlich, wovon 10. 000 an die Person Illésházys gebunden waren, 24. 000 an einen Fonds, aus dem seine Frau eine Rente beziehen und etwaige Kosten für das letzte im Besitze Illésházys verbliebene Gut, Karva, bestritten werden sollten. Dafür erhielt Sina das gesamte nach dem Verkauf noch verbliebene Bargeld in Verwahrung. Für die Preßburger Häuser bedung sich Illésházy ein lebenslängliches Nutzungsrecht.
Sina hatte Glück: Stephan Illésházy starb drei Jahre später. Wie lange die Witwe lebte und das Bankhaus noch in den Fonds einzahlen mußte, ist unbekannt.
Es ist anzunehmen, daß die Bedingungen des Verkaufes für Illésházy unvorteilhaft waren, daß er aber keinen anderen Käufer fand, der eine so hohe Summe auf einmal aufbringen konnte.

Mit dem Erwerb dieser Trentschiner Güter besaß die Familie Sina einen großen Teil des Komitates. Diese Besitzungen bildeten den einen Schwerpunkt ihres ungarischen Besitzes, der andere befand sich im Banat. In den folgenden Jahrzehnten bemühte sich Georg Sina auch, diese Herrschaften durch kleinere und größere Grundstückskäufe zu ergänzen und zusammenhängende Territorien zu schaffen. In den 40-er Jahren folgte noch eine Reihe von Grundkäufen in Westungarn und in der Nähe von Pest.

Ebenfalls 1835 erwarb Georg Sina Mislibowitz in Mähren vom Grafen Joseph von Taaffe. Er zahlte einen Teil des Kaufpreises bar, den Rest schrieb er auf das Konto gut, das Taaffe bei ihm hatte und über welches er seine Zahlungen abwickeln ließ.

1837 erwarb Sina die Religionsfonds-Herrschaft Wellehrad in Mähren.

1840 leitete Eichhoff den bis dahin größten Gutserwerb Georg Sinas ein, den der Religionsfonds-Herrschaft Podiebrad in Böhmen. Die Fläche dieser Herrschaft umfaßte mehr als 1,5 Millionen Katastraljoch. Auch hier hatte Sina einen sehr prominenten Konkurrenten: Neben vielen anderen Bewerbern meldete ein Herzog von Sachsen-Coburg beim Kaiser selbst Interesse am Kauf des Gutes an. Eichhoff sorgte dafür, daß das Ansuchen so lange nicht beantwortet wurde, bis die Versteigerung abgeschlossen war und Sina mit dem höchsten Angebot von 1,634. 050 fl. CM als Käufer feststand. Dann folgte eine Überraschung für die Organisatoren des Verkaufes, vielleicht nicht für Eichhoff selbst: Einen Tag, nachdem Sina angekündigt hatte, den Preis des Gutes sofort und in bar zu zahlen, meldete er, daß er unter dieser Barzahlung eine Schuldenstreichung bei der Gefällsverwaltung begriff, bei der er ein Guthaben von über 2 Millionen Gulden für Lieferungen ungarischer Tabakblätter stehen hatte. Die Staatsgüterverwaltung möge sich bei der Gefällsverwaltung bedienen. Auch dieses Ansuchen genehmigte Eichhoff sofort. Die böhmische Landtafel forderte die ihr zustehenden Gebühren ein, die ihr die Gefällsverwaltung offenbar nicht überweisen wollte. Dann erfolgte der Rücktritt Eichhoffs. Sein Nachfolger Kübeck, der den Verkauf an Sina sichtlich mißbilligte, aber nicht mehr rückgängig machen konnte, unterstützte die Forderung der böhmischen Landesverwaltung. Wegen dieser Summe und wegen Schulden, die die Bauern des Gutes bei der Staatsverwaltung hatten, zog sich der endgültige Vertragsabschluß bis ins Jahr 1848.

Mit dem Abgang Eichhoffs fanden die Grundkäufe aus Staatsbesitz ein Ende, von da ab gingen die Herrschaften ausschließlich von Privaten in den Besitz des Bankhauses über.

 

2. 3. Erweiterung und Ergänzung. Nützliche Konkurse

1842 erwarben die Sinas Charlottenburg (Charlotenburg, Rum.), Kevermes (heute Ungarn, Komitat Csanád), Vizes (Vodnik, Rum.), Blumenthal (Maşloc, Rum.) und Fibis (Fibiş, Rum.) im Temeser Banat von Péter Thököly, dessen Frau eine Verwandte der Frau von Johann Sina war. Diese Güter waren, aufgrund der komplizierten Besitzverhältnisse in Ungarn und gerade im Banat, nie völlig in den Besitz Thökölys übergegangen. Aber als die Beamten der Hofkammer dies 10 Jahre nach dem Verkauf bemerkten, war die Sache schon verjährt und Sina konnte in seinem Eigentum nicht mehr angefochten werden.

1843 kaufte Georg Sina Missen (Omšenie, Slow.) im Komitat Trentschin und Baracska(3) von Simon von Bossányi.

1844 folgte Rossitz in Mähren von Joseph von Ugarte um 1,062. 000 fl.; Eichhorn, ebenfalls in Mähren, von einem Grafen Wasa; Simongát (bei Kaposvár) von Hunyadi; und Szent-Miklós (Fertőszentmiklós) in Westungarn um 700. 000 fl. von Stephan Széchenyi, der das Gut als Vormund seiner Stiefkinder, der Grafen Zichy, verwaltete. Da der Grundbesitz in Ungarn rechtlich nicht eindeutig bestimmt war und unzählige Verwandte Anspruch auf das Gut erhoben, gestaltete sich der Kauf kompliziert und zog sich über mehrere Monate hin.

1845 erwarb Sina Ercsi in Ungarn (Komitat Fejér) von den Grafen Eötvös. Dieses Gut gelangte aus der Konkursmasse von Ignácz Eötvös in den Besitz Georg Sinas. Der Nachlaßverwalter strengte gegen die Gläubiger einen Prozeß an, konnte aber den Verkauf der Herrschaft an Sina nicht verhindern.

1846 oder vorher kaufte Georg Sina von Erzherzog Karl Leopoldsdorf in Niederösterreich. Ebenfalls um diese Zeit Féregyház (Firiteaz, Rum.), von einem Ehepaar Koits.

1847 erwarb er Nagy und Magyar Atád in Somogy von Emanuel Zichy-Ferraris., und im gleichen Jahr Kajmád (Tolna) von einem Grafen Friedrich Bombelles. sowie Béba (Beba Veche, Rum.) von Károly Batthyány um 857.000 fl. CM und 5000 Dukaten.
Georg Sina erwarb zwischen 1826 und 1832 über Verträge auf Rittberg (Tormac, Rum.) von einem Fürsten Rohan., das er aber erst endgültig 1848 von dessen Erben Péchy um 300.000 fl. und 5000 Dukaten.

Um 1849 herum ging das Gut Bellatincz (Bellatinc, Slowenien) in den Besitz der Sinas über, die mit den vorherigen Besitzern verschwägert waren.

Hatvan und Gödöllő in Ungarn fanden 1851 auf gerichtlichem Wege aus der Erbmasse des Fürsten Grassalkovich ihren Weg in den Besitz des Bankhauses. Der letzte Grassalkovich war 1841 gestorben und hatte bereits zu Lebzeiten einen Konkursprozeß auf dem Hals gehabt. Er war einer der berüchtigtsten Kreditschwindler und Schuldenmacher der Monarchie gewesen, und die Abwicklung der Erbschaft zog sich daher über mehr als 10 Jahre hin. Grassalkovich war nicht bei Sinas verschuldet gewesen, sondern bei dem Bankhaus Arnstein & Eskeles, auf deren Aktiva Sina durch seine Stützungsaktion 1848 ein Vorrecht besaß.

Mit Gödöllő erwarb Georg Sina ein Gut von über 3 Millionen Katastraljoch vor den Toren Pests. Er soll angeblich Pläne gehabt haben, den Anbau auf den Gründen von Gödöllő zu modernisieren und sich durch die Belieferung der Stadt mit Lebensmitteln eine neue Einnahmequelle zu erschließen. Ähnliche Pläne dürfte er für die ebenfalls in der Nähe der Hauptstadt gelegenen Herrschaften Érd und Ercsi gehabt haben. Es ist bezeichnend für die kaufmännische Kalkulation Georg Sinas, daß er nicht wie Kossuths Ungarische Handelsgesellschaft Raps nach Belgien und Wein nach Brasilien verkaufen, sondern sich auf die vor der eigenen Haustür befindliche Kaufkraft konzentrieren wollte.
Es ist aber – vermutlich wegen Georg Sinas Tod – allem Anschein nichts aus diesen Plänen geworden und Gödöllő wurde in den 60-er Jahren an eine belgische Bank verkauft.

Im gleichen Jahr und auf ähnliche Weise erwarb das Bankhaus Sina Dalleschitz, Slawetitz und Waltsch in Mähren. Auch diese Güter waren eine Bürgschaft für Kredite, die ihre letzten Besitzer beim Bankhaus Arnstein & Eskeles aufgenommen hatten, und auch sie gingen als Folge der seinerzeitigen „Rettungsaktion“ von 1848 in den Besitz des Bankhauses Sina über.(5)

 

2. 4. Nutzung und Verwaltung

Zumindest auf den ungarischen Gütern wurden zu Lebzeiten Georg Sinas diejenigen Produkte erzeugt, die auch den Schwerpunkt seiner Handelstätigkeit bildeten. Simon Sina bezog sich 1856 in einem Rundbrief auf die auf den meisten ungarischen Gütern betriebene Schafzucht und ordnungsgemäße Klassifizierung der Wolle. Auf den Banater Gütern siedelte Georg Sina viele Tabakpflanzer an. In mehreren ungarischen Städten unterhielt er ausgedehnte Lagerräume für die von ihm angekauften Tabakblätter.

Das ständig anwachsende Imperium von Besitzungen wurde von einem Heer von landwirtschaftlichen Angestellten, Verwaltern und Inspektoren betreut. Georg Sina unternahm regelmäßig Reisen, auf denen er seine Güter persönlich inspizierte und die nach seinen Anweisungen geführten Bücher akribisch prüfte. Für alle Güter erließ er jährlich „Instruktionen“, in denen die Pflichten der Gutsverwaltungen festgelegt wurden. Diese Instruktionen waren damals üblich, auch sein Sohn versendete sie jährlich. Im Unterschied zum Vater scheint er sie aber nicht selbst verfaßt zu haben, sondern dieses Geschäft vollständig seinen Angestellten überlassen zu haben.

Zu Lebzeiten Georg Sinas geschah kaum etwas, wozu er nicht persönlich seine Einwilligung gegeben hätte. 1839 erteilte der Großbankier und Großgrundbesitzer, der den Staat kreditierte und die Kettenbrücke finanzierte, seinem Gutsverwalter schriftliche Anweisungen, wie eine desolate Gartenlaube zu reparieren sei: mit „Rutengeflecht, … dort, wo sie noch einer Ausbesserung fähig ist, mit möglichst wenigen Kosten.“
Wahrscheinlich bis 1856 wurden die Besitzungen zentral verwaltet. Der in einem Buch über die Zuckerraffinerie erwähnte Eduard Egan war 1848 nicht nur Verwalter von Szentmiklós, sondern „Güter-Inspektor“ aller Sinaschen Güter in Ungarn. Daraus ist ersichtlich, daß diese Güter ungeachtet der etwaigen Aufteilung zwischen den Familienmitgliedern zumindest bis 1848 einer gemeinsamen Verwaltung unterstanden.
Der letzte Sina, Simon, betrachtete offensichtlich den Grundbesitz nicht mehr als Geschäftsmittel, sondern als Einkommensquelle, die seine privaten Ausgaben irgendwie decken sollte. Er nahm 1858 bei der Nationalbank einen Kredit von 9 Millionen fl. Bankvaluta auf, mit dem er 23 Güter hypothekarisch belastete. Die Vertreter der Nationalbank erwähnten die Berücksichtigung des Grundsatzes, „daß die Nationalbank nur bis zur Hälfte des nachgewiesenen Wertes der Hypothek ein Darlehen gewähre.“ Diese Güter, die aber noch nicht den gesamten Grundbesitz Simon Sinas ausmachten und den seines Onkels nicht erfaßten, wurden also damals auf mindestens 18 Millionen fl. geschätzt.

Die Abrechnungen für die Güter der Sinas bieten ein anschauliches Beispiel dafür, daß die Bauernbefreiung hauptsächlich die Grundherrn von Lasten und Hindernissen bei der Bewirtschaftung ihrer Güter befreite: Allein für die Trentschiner Güter stiegen die Reinerträge von 1855-1875 im fünfjährigem Durchschnitt von 67. 736 auf 151. 520 fl. pro Jahr. Dies, obwohl der Besitzer nie seinen Fuß auf diese Güter gesetzt hatte: „Solche durchschnittlich günstigen Resultate verdienen um so mehr Anerkennung, als der bisherige Gutsherr sich sehr wenig um das Nähere der Verwaltung kümmerte, ja die Güter nicht einmal in Augenschein genommen hatte.“

Auch ein weiteres Moment der Grundablösung läßt sich an den Sinaschen Besitzungen studieren: der Kampf, der zwischen den Grundherren und den Bauern um das Land und seine Früchte ausbrach. Dieser Kampf wurde noch durch die auch nach der Grundentlastung weiterbestehenden gemeinsamen Nutzungsrechte für Weiden und Wald angeheizt. Die Güterverwaltungen führten jahrzehntelang Prozesse um „die Rückgabe besetzter Höfe“, „um die Festlegung der Grenzen und Abtrennung der Weiden“, „Ersatz für Waldschäden“, „Besitzstörung des Waldes“, „Rückgabe gepachteter Kurial-Gründe“, „Zahlung der Abgaben für eine Mühle“, „Anerkennung der Rechte auf Urbarial-Holz“, „besetzte Grundstücke und Regelung der Nutzungsrechte“, schließlich um den „Aufkauf der Remanencia“.(6) Der letzte Rechtsstreit zwischen den Sina-Erben und einer Gemeinde wurde 1911 abgeschlossen.
Bei diesen Prozessen um besetztes Land, gestohlenes Holz usw. gerieten die Grundherren auch oft in Konflikt mit der Kirche. Erstens weil sie selber Grundherr war, zweitens weil viele der abzulösenden Bauern-Grundstücke mit Verpflichtungen gegenüber der Kirche belastet waren. Ein großer Teil der Prozesse wurde gegen Pfarren geführt, über viele Jahre zogen sich Rechtsstreitigkeiten mit dem Bischof von Nitra hin.

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(1) Dieser Umstand hat Salomon Rothschild sehr gestört, der 1847 bei Széchenyi anfragen ließ, ob ihm dieser nicht den ungarischen Adelstitel verschaffen könne. Széchenyis Reaktion war eindeutig: „Er soll sich taufen lassen!“ Széchenyi 2, 31.10. 1847

(2) Der Adel war zu dieser Zeit käuflich, die Summen wurden für jeden individuellen Antragsteller von Mitgliedern der Regierung, nach Einschätzung seiner Vermögensverhältnisse, festgesetzt. „Der durch seinen Reichtum berüchtigte“ Simon Sina hatte sich deshalb in dem Kaufvertrag für die Ortschaften gegenüber Schwarzenberg ausbedungen, daß dieser selbst den Preis für die Verleihung des Adelstitels an die Sinas zahlen mußte. Sina wurde von den Mitgliedern des Kabinetts aufgrund seines offenbar bereits damals legendären Reichtums auf 100.000 fl. CM (mindestens 250.000 fl. WW) veranlagt. Sie wußten nichts von der Bestimmung des Vertrages. Schwarzenberg mußte seinen ganzen Einfluß aufbieten, um eine Reduzierung dieser Summe auf 80.000 fl. WW zu erreichen. Polizeihofstelle 8690 aus 1817, zitiert nach: Λαιος, S. 262-263; sowie FA, Ung. Camerale, F 13/1, 158 aus Jänner 1818.

(3) Es kann sich um eine Ortschaft im Komitat Fejér handeln, genauere Angaben fehlen.

(4) Angesichts der Vorwürfe, die Eichhoff von seinem Nachfolger gemacht wurden, ist festzuhalten, daß aus den Akten wohl eine Bevorzugung Sinas gegenüber seinen Konkurrenten hervorgeht. Dies gilt für die Tabakgeschäfte ebenso wie für den Güterverkauf. Es ist jedoch nicht nachzuweisen, was die Gegner Eichhoffs ihm vorwarfen: Daß er durch diese Vorgangsweise die Staatskasse geschädigt hätte. Im Gegenteil: Er gab Sina deshalb den Zuschlag, weil dieser mehr bot. Auch bei den Tabaklieferungen hörten sich mit der Ära Sina die ewigen Engpässe des Tabakgefälles auf.
Worauf genau das gute Verhältnis zwischen Sina und Eichhoff beruhte, ist der Verfasserin nicht herauszufinden gelungen. Es kann sein, daß die DDSG sie zusammenführte. Eichhoff war in den 20-er Jahren Experte für Schiffahrt und an der Ausarbeitung mehrerer Schiffahrts-Traktate beteiligt. (s. Meynert). Außerdem ähnelten sich ihre Auffassungen in Fragen der Finanzpolitik.

(5) Die bisherige Aufzählung umfaßt nur die Güter, bei denen erkennbar ist, wann sie in den Besitz der Sinas gelangten.
Außerdem befanden sich im Besitz des Bankhauses bzw. der Familie die Güter Gföhl, Dross, Rechberg, Imbach, Sieghartskirchen und Rappoltenkirchen in Niederösterreich; Hrottowitz, Borotin, Slatina und Albendorf in Mähren; Érd, Tolna, Ráró und Liczkó in Westungarn; Szenc (Senec, Slow.) bei Preßburg; Valkány (Vălcani, Rumänien), Moroda (Moroda, Rum.), Székesút (Secusigiu, Rum.), Bencsek (Bencecu de Jos, Rum.) und Buzad (Buzad, Rum.) im Banat; schließlich Dudest und Zimiceltele in der Walachei und Heptalophos in Griechenland. (WSLA, Handelsgericht, Verlassenschaften, Nr. 76/1856 und Nr. 32/1869; Bytča, Illésházy, Nr. 148; und Pásztor, S. 65)

(6) „Remanencia“ bezeichnet zunächst diejenigen Grundstücke, die, obgleich von den Leibeigenen genutzt, im Urbarium Maria Theresias als Allodial-Gründe geführt wurden. Die Grundbesitzer hatten damals teilweise absichtlich falsche Angaben gemacht, um das Allodium auf Kosten der Leibeigenen-Gründe zu vergrößern. Außerdem kannten sie selbst die Grundstücke nicht so genau, machten also auch unabsichtlich fehlerhafte Angaben. Später vergrößerte sich die Fläche des Grundes mit unklarer Zugehörigkeit noch durch Rodungen und Trockenlegen von Sümpfen, also der Vergrößerung des bebauten Landes. Über die Zugehörigkeit dieser „Restgründe“ konnten sich die Politiker 1848/49 nicht einigen. Erst mit einem Patent von 1853 wurde dieses Land, das für Ungarn 1,4 Millionen Katastraljoch umfaßte, endgültig den Grundherren zugesprochen.

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