Protokoll 12, Teil 2
16.10. 2011

„Dies letzte Produkt der Warenzirkulation ist die erste Erscheinungsform des Kapitals.“ (S 160, 2. Absatz)

Ist das historisch oder logisch gemeint?
Beides.

„Historisch tritt das Kapital dem Grundeigentum überall zunächst in der Form von Geld gegenüber“ (S 160, 3. Absatz)

Damit ist gemeint, wie das Kapital im Feudalismus erstmals auftritt.

Die Besonderheit der Austauschbewegung G–W–G wird jetzt untersucht.
Bisher, beim einfachen Warenaustausch, war W–G–W das Thema. Jemand verkauft etwas, um ans allgemeine Äquivalent heranzukommen, um damit dann eine Ware seiner Wahl erstehen zu können. Bei W–G–W geht es um einen Austausch von verschiedenen Waren, Qualitäten. Jeder verkauft etwas anderes als das, wonach er Bedarf hat. Der Markt ist hier der Vermittler der verschiedenen Bedürfnisse. Das Ziel des Verkaufs war also der Konsum, die Befriedigung eines individuellen Bedürfnisses.
Bei G–W–G ist das ganz was anderes. Der Käufer kauft, um zu verkaufen. G–W ist nicht der Endpunkt eines Aktes, sondern sein Anfangspunkt. Der Händler, der Vermittler von G–W–G erhält am Ende des Warentausches das gleiche zurück, das er dafür aufgewendet hat. Da also, im Unterschied zu W–G–W kein Unterschied in der Qualität besteht – Geld wird im Ausgangspunkt hergegeben, um im Endpunkt Geld zu erhalten – so kann also der Unterschied zwischen G (hinein in den Markt) und G (heraus aus dem Markt) nur in der Quantität bestehen. Es geht also darum, daß das G/Anfangspunkt und das G/Endpunkt sich in der Quantität unterscheiden. De Zweck ist hier also nur Tauschmittel, Geld, und zwar mehr Geld. Es geht nicht mehr um irgendwelche konkreten Bedürfnisse, sondern um die Habhaftwerdung des Geldes.

(K. hat ein Buch gelesen, das heißt: „5 Jahre, die die Welt veränderten“, über den 1. 5-Jahres-Plan der SU, also sicher einmal was anderes als die übliche Begleitliteratur zu K I! Obwohl es fraglich ist, ob es uns in dieser Thematik weiterhilft.)

„drei Kontrahenten, wovon der eine nur verkauft, der andre nur kauft, der dritte aber abwechselnd kauft und verkauft“ (S 163, 1. Absatz)

Wieso drei?
Na klar: Bei W–G–W ist es so: A verkauft an B, B verkauft an C. Da sind genauso 3 beteiligt, wie in G–W–G: B kauft von A und verkauft an C.

Wenn man sich die Menge der Marktteilnehmer anschaut, also alle diejenigen betrachtet, die was hineinwerfen in den Markt, und was herausholen, so fällt der Unterschied das Interesses bzw. des Zweckes auf: Die einen wollen irgendwelche individuellen (sehr konkret) Bedürfnisse befriedigen, die anderen wollen ihr „Bedürfnis“ nach Anhäufung des allgÄquivalents befriedigen.
An einem einzelnen Kaufakt selber kann man noch nicht ablesen, welchem Interesse er geschuldet ist.
Viele Kapitalismuskritiker sehen am Kauf selber nichts Verwerfliches, sondern erst dann kommt das Böse ins Spiel, wenn zum Zwecke der persönlichen Bereicherung Schacher betrieben wird.

Die Frage tritt hier auf: Wie kommt es, daß von der einfachen Warenzirkulation zum professionellen Kaufmannswesen fortgeschritten wird? Und da bedarf es eines Subjektes, das sich den Gelderwerb zum Zweck macht.
Dies sei auch gegen solche Kapitalismus- hmm, Kritiker oder auch schon Apologeten angemerkt, die die Subjekte dieses Gesellschaftssystems als Getriebene hinstellen, die nicht anders können, als sie tun.

Wenn natürlich in einer Gesellschaft durchgesetzt ist, daß man an alle Güter der Welt nur mit Geld herankommt, kann es natürlich leicht geschehen, daß sich jemand die Jagd nach Geld zum Zweck setzt.

Noch einmal zu der angeblich so unschuldigen einfachen Warenzirkulation, die ja heute (Tauschringe) als Weg aus der Krise betrachtet wird: Erstens ist beim bloßen Tausch ja auch bereits ein Gegensatz enthalten.
Zweitens hat aber heute nicht jeder etwas zu verkaufen. Die meisten Leute stellen doch nichts her. Und auch die Idylle, die sich viele mit Landwirtschaft ausmalen, sieht ab von der Geldwirtschaft, in die diese eingebunden ist.

Historisch war es übrigens nicht so, daß die einfache Warenzirkulation die Kaufleute hervorgebracht hat, sondern umgekehrt: Die kamen irgendwohin und begannen, den Leuten überhaupt einmal den Tausch einzureden oder aufzunötigen. Einen Markt ohne Profis gab es nie.
(Falls es wen interessiert, so hab ich dazu einmal was geschrieben.)

„Dieses Inkrement oder den Überschuß über den ursprünglichen Wert nenne ich - Mehrwert.“ (S 165, 1. Absatz)

Diese wichtige Figur betrat ca. um 16 15 die Bühne ...

Bei W–G–W ist es zwar üblich, aber nicht notwendig, daß es sich hier um einen Äquivalententausch handelt. Bei G–W–G hingegen ist die Ungleichheit von Ausgangs- und Endpunkt der Zweck der Übung.

Geld kommt am Ende der Bewegung wieder als ihr Anfang heraus. Das Ende jedes einzelnen Kreislaufs, worin sich der Kauf für den Verkauf vollzieht, bildet daher von selbst den Anfang eines  neuen Kreislaufs. Die einfache Warenzirkulation – der Verkauf für den Kauf - dient zum Mittel für einen außerhalb der Zirkulation liegenden Endzweck, die Aneignung von Gebrauchswerten, die Befriedigung von Bedürfnissen. Die Zirkulation des Geldes als Kapital ist dagegen Selbstzweck, denn die Verwertung des Werts existiert nur innerhalb dieser stets erneuerten Bewegung. Die Bewegung des Kapitals ist daher maßlos. (S 167/68)

Dem ist nicht viel hinzuzufügen, außer daß die Akkumulation, also die Reproduktion des Kapitals auf höherer Stufenleiter, hier bereits angekündigt ist.
Was ist „maßlos“ gemeint? Es ist nicht zu messen?
Maßlos heißt – es kennt kein Maß, es gibt keinen Profit von 5%, der „normal“ wäre, und 10% wäre dann „Gier“, wie heute oft zu hören ist. Das bloße „mehr als vorher“ geht tendenziell gegen unendlich.

Gegen die Nationalökonomie: Nicht „der Mensch“ mit seinen Bedürfnissen ist maßlos, sondern das Kapital.
Aber es ist auch richtig in dem Sinne, daß es eigentlich kein Maß des Geldes gibt – da es das Maß für alle Waren ist. (Irgendwo hatten wir das schon einmal ...)
Hier geht es aber gerade im die Maßlosigkeit des Kapitals.
Es geht auch nicht darum, daß Geld in Waren gemessen werden oder in ihnen seine Entsprechung haben sollte. Der Witz, und das wird hier eingeführt, ist, daß die Warenproduktion nur diesem Ziel des „immer mehr“ gehorcht (Wachstum!) und damit auch alle Gründe da sind, warum diese wundersame Geldvermehrung notfalls auch ohne Produktion in die Wege geleitet wird ... und auch irgendwie funktioniert ...
Selbst wenn mit dem G–G’ einiges schiefgeht, wie derzeit gerade offensichtlich wird, so ist das ja kein Einwand dagegen, daß dies der Zweck der ganzen Veranstaltung ist, und wie die Bankenrettungen zeigen, wird von diesem Ziel nichts zurückgenommen.

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