BULGARIENFÜHRT DEN EURO EIN
„Bulgarien bekommt ab nächstem Jahr den Euro – die Einführung nahm heute in Brüssel die letzte Hürde. Doch viele Bulgaren befürchten, dass sich ihre wirtschaftliche Lage verschlechtern wird. (...) Dieser Behauptung der Politikwissenschaftlerin steht allerdings eine Aussage von Leuten entgegen, die damals, im Juli 2025, bereits gegen die Einführung des Euro protestierten: „»Die Eurozone ist das Schlimmste, was den Bulgaren derzeit passieren kann, denn wir sind ohnehin schon ein unterworfenes Territorium«, behauptet eine Frau. Unter den Demonstranten herrscht eine allgemein europaskeptische Stimmung. Ein Mann etwa fragt: »Was sind denn diese europäischen Werte? Wir brauchen den Euro nicht. Wozu überhaupt?«“ (ebd.) Der Euro überhaupt 1. EU und Euro Vielleicht einmal eine Rückerinnerung an den Euro und ursprüngliche Einführung in den Jahren 1999-2002: „Der Euro wurde am 1. Januar 1999 als Buchgeld und drei Jahre später am 1. Januar 2002 als Bargeld eingeführt. (…) Er wird von der Europäischen Zentralbank emittiert und fungiert als gemeinsame offizielle Währung in 20 EU-Mitgliedstaaten, die zusammen die Eurozone bilden, sowie in 6 weiteren europäischen Staaten. Nach dem US-Dollar ist der Euro die zweitwichtigste Reservewährung der Welt.“ (Wikipedia, Euro) Die 6 Nicht-EU-Staaten, die den Euro als Währung eigeführt haben, sind Montenegro, der Kosovo, Andorra, Monaco, die Vatikanstadt und San Marino. Wichtig sind dabei nur die zwei ersteren, die damit an die EU gekettet wurden, um sie erstens überhaupt mit einer Währung zu versorgen und 2. ihren Handlungsspielraum gegenüber anderen Akteuren wie den USA, Rußland, Serbien oder der Türkei einzuschränken. Der Euro diente in diesen Fällen zunächst als ein nicht-militärisches Mittel zur Zerschlagung Jugoslawiens. Im Grunde, darin hat die Tagesschau-Autorin recht, haben sich fast alle Staaten der EU verpflichtet, den Euro einzuführen. Ausnahmen waren Großbritannien und Dänemark: „Beim Abschluss des Vertrags von Maastricht im Jahr 1992, in dem unter anderem die Einführung des Euro beschlossen wurde, handelten sich Großbritannien und Dänemark eine Ausnahmeregelung heraus. Durch diese sogenannte Opting-Out-Klausel waren diese zwei Länder als einzige in der EU rechtlich nicht dazu verpflichtet, den Euro einzuführen.“ (Wikipedia, Pfund Sterling) Das UK konnte als aus der EU austreten, weil es eine eigene Währung hatte. 2. Dollar und Euro Was den Status der Reservewährung betrifft, so klafft zwischen Euro und Dollar ein großer Abstand: „Jüngsten Zahlen zufolge entfallen aktuell rund 57 Prozent der internationalen Devisenreserven auf den Dollar.“ (DWS Group 16.7. 2025 – Website der Vermögensverwaltungsfirma der Deutschen Bank) Man merkt erstens diesen Zitaten den Willen an, sich nach der Decke zu strecken – zweitwichtigst! – und gleichzeitig die Lücke, die zwischen Nr. 1 und Nr. 2 klafft. Dazu kommt auch noch, daß die Rolle des Dollar ja in erster Linie in seiner Eigenschaft als Handelswährung liegt, wo er dem Euro sowieso haushoch überlegen ist – was sich unter anderem darin äußert, daß Gold selbst international in erster Linie in Dollar gehandelt wird. Ebenso wie wichtige Rohstoffe wie Öl und andere Energieträger, oder Getreide. Die Rolle des Dollar ist also im Laufe der letzten Jahre zurückgegangen, aber damit auch die des Euro, der auf keinem dieser Gebiete auch nur annähernd an den Dollar herankommt, sondern vielmehr in dessen Windschatten segelt. Bulgarien und der Euro 1. Der Euro als Klebstoff der EU Während zum Zeitpunkt der Planung des Euro 1992 die Konvergenzkriterien festgelegt wurden: – so wurden sie schon damals unterlaufen. Italien z.B. hatte damals wie bei Einführung des Euro 2001 eine höhere Staatsverschuldung als 60%. Über die Tricksereien bei Griechenland erfuhr man anhand der Krise 2015 ff. so einiges – wobei gemeinhin verschwiegen wurde, daß diese von Deutschland gewollt und tatkräftig unterstützt worden waren. Aber die Stellung zum Euro bzw. die Bewerbung desselben hatte sich zu diesem Zeitpunkt (also ab der Finanzkrise 2009 ff.) bereits geändert: Von einem Jahrhundertprojekt, das die Dominanz des Dollar ablösen wollte, war er zu einer Art Zwangsjacke geworden, das innerhalb der EU die Dominanz Deutschlands als Exportmarkt und Kreditmacht sicherte und ansonsten der EU eine Art von Zusammenhalt verlieh, der auf Abhängigkeit und Not und nicht auf Berechnungen und Hoffnungen beruhte. Bulgarien trat 2007 der EU bei und 2020 dem Wechselkursmechanismus II, der Vorstufe zur Euro-Einführung. Man muß diese beiden Daten, also die Jahre und Zusammenhänge untersuchen, um diese Entscheidungen nachvollziehen zu können. 2. Bulgariens Weg in die EU Bulgarien hatte vor 1991 sehr enge Wirtschaftsbeziehungen zur Sowjetunion gehabt. Es gab auch dort keine Proteste, die Wende wurde von der Staatspartei selbst eingeleitet. Nach 1990 setzte aufgrund des Zerfalls des RGW ein wirtschaftlicher Niedergang ein, der die Bevölkerung in Massen in die Emigration trieb. Bulgarien hat heute 6,5 Millionen Einwohner, vor 1990 waren es über 10. Es hat also über ein Drittel seiner Bevölkerung eingebüßt. „Wesentlichen Anteil an dem Erfolg hatte das Versprechen, innerhalb von 800 Tagen eine deutliche Verbesserung des Lebensstandards herbeizuführen. Dazu schlug er eine Erhöhung des Lohnniveaus und Steuersenkungen vor.“ (Wikipedia, Bulgarien) Das Versprechen wurde nicht eingelöst und Simeon von Sachsen-Coburg-Gotha hat sich inzwischen auch wieder aus der bulgarischen Politik verabschiedet. Mit seinem Amtsantritt beginnt jedoch der Aufstieg des Mannes, der inzwischen die bestimmende Figur der bulgarischen Politik ist: Bojko Borissow. Borissow war vor der Wende 1990 ein wichtiger Mann im bulgarischen Staatsapparat. Er diente als Polizist bei den Truppen des Innenministeriums, was unter den damaligen Bedingungen der Inlandsgeheimdienst war. 2003 diente sich Bulgarien den USA im Irakkrieg an und schickte Soldaten. Daraufhin wurde Bulgarien 2004 in die NATO aufgenommen. 3. Bulgariens Weg in den Euro Als nächstes folgte die Finanzkrise, die die Ambitionen der EU ein Stück weit begrub und die Eurozone überhaupt eine Zeitlang in Frage stellte. Außerdem fand 2020 der Brexit statt, der der EU-Führung vor Augen führte, daß ein Land mit eigener Währung die EU zwar mit Schwierigkeiten, aber doch verlassen kann. 2020 war das Jahr, in dem Bulgarien dem Wechselkursmechanismus II beitrat. Es war das Jahr, nachdem Kristalina Georgieva 2019 Christine Lagarde als Direktorin des IWF abgelöst hatte. Mit Fragen, wie der Euro in die kyrillische Schrift zu übertragen sei, was die Umrechnungsrate zur derzeit auslaufenden Währung Lew („Löwe“, nach dem bulgarischen Wappen) wird, und welches Design die Münzen haben sollen, wurden die Leute auf die neue Währung vorbereitet. Aber es gibt Schwierigkeiten: „Bereits seit zwei Wochen gehen Teile der bulgarischen Bevölkerung auf die Straße, zunächst, um gegen die Haushaltspläne für 2026 zu protestieren. Vor allem der staatliche Sicherheitsapparat hätte eine Menge Geld erhalten sollen. Doch der gilt als korrupt und soll weitgehend unter der Kontrolle des Oligarchen und DPS-Parteichefs Deljan Peewski stehen. Die Demonstranten erreichten, dass der Etatentwurf zurückgezogen wurde. Laut Transparency International ist Korruption in Bulgarien weit verbreitet. Innerhalb der EU hat nur Ungarn einen noch schlechteren Wert. Die Borissow & Co.-Gesellschaft, die die Einführung des Euro betreibt, war schon öfter im Zwielicht: „2021 teilte das US-Außenministerium mit, es habe Wirtschaftssanktionen gegen mehrere prominente Bulgaren und ihre Unternehmen verhängt. Damit wolle man korrupte Akteure zur Rechenschaft ziehen und die Rechtsstaatlichkeit und die Stärkung demokratischer Institutionen in Bulgarien unterstützen. Das Eingreifen der USA, um in einem EU-Staat Rechtsstaat und Demokratie zu schützen, wurde als Unfähigkeit der EU gesehen, selbst auf den Mitgliedsstaat einzuwirken. Der Politiker-Oligarch Deljan Peewski und zwei weitere Geschäftsleute wurden im Juni 2021 wegen Beteiligung an bedeutender Korruption sanktioniert. Das in den USA gelagerte Vermögen ihrer 64 Unternehmen wurde beschlagnahmt und ein USA-weites Handelsverbot gegen jene Unternehmen ausgesprochen. Was der Rücktritt der Regierung eigentlich ausrichten soll, ist unklar. *** weitere Artikel zur Erweiterung der Eurozone: Die Eurozone wächst! (Estland 2010)
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