BULGARIENFÜHRT DEN EURO EIN

 

„Bulgarien bekommt ab nächstem Jahr den Euro – die Einführung nahm heute in Brüssel die letzte Hürde. Doch viele Bulgaren befürchten, dass sich ihre wirtschaftliche Lage verschlechtern wird. (...)
Schon beim EU-Beitritt 2007 stimmte Bulgarien dafür, irgendwann den Euro einzuführen. Alle Regierungen in Sofia haben seither darauf hingearbeitet. Im Parlament hat das Vorhaben auch jetzt eine klare Mehrheit.
Die Bevölkerung aber ist gespalten: Laut der Politikwissenschaftlerin Genowewa Petrowa, die das Umfrage-Institut Alpha Research in Sofia leitet, herrscht zwischen Befürwortern und Gegner Parität. »Wenn es Bedenken gibt, dann beziehen sie sich auf mögliche erwartete Preissteigerung.«“ (Tagesschau, 8.7. 2025)

Dieser Behauptung der Politikwissenschaftlerin steht allerdings eine Aussage von Leuten entgegen, die damals, im Juli 2025, bereits gegen die Einführung des Euro protestierten:

„»Die Eurozone ist das Schlimmste, was den Bulgaren derzeit passieren kann, denn wir sind ohnehin schon ein unterworfenes Territorium«, behauptet eine Frau. Unter den Demonstranten herrscht eine allgemein europaskeptische Stimmung. Ein Mann etwa fragt: »Was sind denn diese europäischen Werte? Wir brauchen den Euro nicht. Wozu überhaupt?«“ (ebd.)

Der Euro überhaupt

1. EU und Euro

Vielleicht einmal eine Rückerinnerung an den Euro und ursprüngliche Einführung in den Jahren 1999-2002:

„Der Euro wurde am 1. Januar 1999 als Buchgeld und drei Jahre später am 1. Januar 2002 als Bargeld eingeführt. (…) Er wird von der Europäischen Zentralbank emittiert und fungiert als gemeinsame offizielle Währung in 20 EU-Mitgliedstaaten, die zusammen die Eurozone bilden, sowie in 6 weiteren europäischen Staaten. Nach dem US-Dollar ist der Euro die zweitwichtigste Reservewährung der Welt.“ (Wikipedia, Euro)

Die 6 Nicht-EU-Staaten, die den Euro als Währung eigeführt haben, sind Montenegro, der Kosovo, Andorra, Monaco, die Vatikanstadt und San Marino. Wichtig sind dabei nur die zwei ersteren, die damit an die EU gekettet wurden, um sie erstens überhaupt mit einer Währung zu versorgen und 2. ihren Handlungsspielraum gegenüber anderen Akteuren wie den USA, Rußland, Serbien oder der Türkei einzuschränken. Der Euro diente in diesen Fällen zunächst als ein nicht-militärisches Mittel zur Zerschlagung Jugoslawiens.

Im Grunde, darin hat die Tagesschau-Autorin recht, haben sich fast alle Staaten der EU verpflichtet, den Euro einzuführen. Ausnahmen waren Großbritannien und Dänemark:

„Beim Abschluss des Vertrags von Maastricht im Jahr 1992, in dem unter anderem die Einführung des Euro beschlossen wurde, handelten sich Großbritannien und Dänemark eine Ausnahmeregelung heraus. Durch diese sogenannte Opting-Out-Klausel waren diese zwei Länder als einzige in der EU rechtlich nicht dazu verpflichtet, den Euro einzuführen.“ (Wikipedia, Pfund Sterling)

Das UK konnte als aus der EU austreten, weil es eine eigene Währung hatte.
Für die Eurozone ist gar kein Austrittsverfahren festgelegt. Sollte also ein Land der Eurozone einen Austritt erwägen, müßte dafür erst ein eigenes Verfahren entwickelt werden.
Was es heißt, in der Eurozone zu sein und in Schwierigkeiten zu geraten, konnte man an der Eurokrise und der Behandlung Griechenlands sehen.
Das ist der Grund, warum andere Staaten der EU den Euro nicht haben und anscheinend auch nicht einführen wollen: Tschechien, Polen, Ungarn, Rumänien, Schweden.
Diese Staaten treten auch absichtlich dem Wechselkursmechanismus II nicht bei, der eine Vorstufe zur Euro-Einführung ist – auch wenn sie, wie Tschechien und Schweden, alle Kriterien erfüllen würden.

2. Dollar und Euro

Was den Status der Reservewährung betrifft, so klafft zwischen Euro und Dollar ein großer Abstand:

„Jüngsten Zahlen zufolge entfallen aktuell rund 57 Prozent der internationalen Devisenreserven auf den Dollar.“ (DWS Group 16.7. 2025 – Website der Vermögensverwaltungsfirma der Deutschen Bank)
„Nach dem Dollar, dessen Anteil an den globalen Devisenreserven der Zentralbanken 58% beträgt, ist der Euro mit einem Anteil von rund 20% die zweitwichtigste Reservewährung der Welt.“ (Union Investment, 27.11.)

Man merkt erstens diesen Zitaten den Willen an, sich nach der Decke zu strecken – zweitwichtigst! – und gleichzeitig die Lücke, die zwischen Nr. 1 und Nr. 2 klafft.
Dazu kommt, daß in den Reserven der Bankschätze wichtiger Staaten inzwischen immer mehr Gold als Reserve aufgehäuft wird, sodaß die Rollen der Reservewährungen allgemein zurückgeht.

Dazu kommt auch noch, daß die Rolle des Dollar ja in erster Linie in seiner Eigenschaft als Handelswährung liegt, wo er dem Euro sowieso haushoch überlegen ist – was sich unter anderem darin äußert, daß Gold selbst international in erster Linie in Dollar gehandelt wird. Ebenso wie wichtige Rohstoffe wie Öl und andere Energieträger, oder Getreide.
Bei der Handelswährung ist aber zu beachten, daß hier aufgrund von Sanktionen und den Reaktionen darauf viele Staaten auf bilaterale Abrechnung umgestiegen sind und hierbei den Dollar, wenn überhaupt, hauptsächlich als Referenzwährung verwenden.

Die Rolle des Dollar ist also im Laufe der letzten Jahre zurückgegangen, aber damit auch die des Euro, der auf keinem dieser Gebiete auch nur annähernd an den Dollar herankommt, sondern vielmehr in dessen Windschatten segelt.

Bulgarien und der Euro

1. Der Euro als Klebstoff der EU

Während zum Zeitpunkt der Planung des Euro 1992 die Konvergenzkriterien festgelegt wurden:

nicht mehr 60% Staatsverschuldung im Vergleich zum BIP
nicht mehr als 3% Neuverschuldung pro Jahr – auf das BIP bezogen
nicht mehr als 1,5% Inflation über der geringsten Inflation der Eurozone,

– so wurden sie schon damals unterlaufen. Italien z.B. hatte damals wie bei Einführung des Euro 2001 eine höhere Staatsverschuldung als 60%. Über die Tricksereien bei Griechenland erfuhr man anhand der Krise 2015 ff. so einiges – wobei gemeinhin verschwiegen wurde, daß diese von Deutschland gewollt und tatkräftig unterstützt worden waren.
Die Slowakei, die 2009 der Eurozone beitrat und erst recht die baltischen Staaten, die in den Jahren 2010-2015 beitraten, erfüllten diese Kriterien eigentlich nicht, vor allem deshalb, weil ihr BIP so mager ausfiel. Da wurde dann auch in bewährter Manier getrickst, um diese Entscheidung zu rechtfertigen.

Aber die Stellung zum Euro bzw. die Bewerbung desselben hatte sich zu diesem Zeitpunkt (also ab der Finanzkrise 2009 ff.) bereits geändert: Von einem Jahrhundertprojekt, das die Dominanz des Dollar ablösen wollte, war er zu einer Art Zwangsjacke geworden, das innerhalb der EU die Dominanz Deutschlands als Exportmarkt und Kreditmacht sicherte und ansonsten der EU eine Art von Zusammenhalt verlieh, der auf Abhängigkeit und Not und nicht auf Berechnungen und Hoffnungen beruhte.

Bulgarien trat 2007 der EU bei und 2020 dem Wechselkursmechanismus II, der Vorstufe zur Euro-Einführung.

Man muß diese beiden Daten, also die Jahre und Zusammenhänge untersuchen, um diese Entscheidungen nachvollziehen zu können.

2. Bulgariens Weg in die EU

Bulgarien hatte vor 1991 sehr enge Wirtschaftsbeziehungen zur Sowjetunion gehabt. Es gab auch dort keine Proteste, die Wende wurde von der Staatspartei selbst eingeleitet. Nach 1990 setzte aufgrund des Zerfalls des RGW ein wirtschaftlicher Niedergang ein, der die Bevölkerung in Massen in die Emigration trieb. Bulgarien hat heute 6,5 Millionen Einwohner, vor 1990 waren es über 10. Es hat also über ein Drittel seiner Bevölkerung eingebüßt.
In der Hoffnung, er könne Wunder wirken, wählten die Bulgaren 2001 mehrheitlich den letzten Zaren Bulgariens, der als Kleinkind nach dem überraschenden (und möglicherweise nicht ganz natürlichen) Tod seines Vaters den bulgarischen Thron bestiegen hatte.

„Wesentlichen Anteil an dem Erfolg hatte das Versprechen, innerhalb von 800 Tagen eine deutliche Verbesserung des Lebensstandards herbeizuführen. Dazu schlug er eine Erhöhung des Lohnniveaus und Steuersenkungen vor.“ (Wikipedia, Bulgarien)

Das Versprechen wurde nicht eingelöst und Simeon von Sachsen-Coburg-Gotha hat sich inzwischen auch wieder aus der bulgarischen Politik verabschiedet. Mit seinem Amtsantritt beginnt jedoch der Aufstieg des Mannes, der inzwischen die bestimmende Figur der bulgarischen Politik ist: Bojko Borissow.

Borissow war vor der Wende 1990 ein wichtiger Mann im bulgarischen Staatsapparat. Er diente als Polizist bei den Truppen des Innenministeriums, was unter den damaligen Bedingungen der Inlandsgeheimdienst war.
Nach 1991 gründete er eine Sicherheitsfirma, wo er seine bisherigen Kenntnisse profitabel einsetzte. Er wurde zum Leibwächter von Simeon SCG und leitete den greisen Ex-Monarchen, der obendrein Ausländer war, durch die Unwegsamkeiten des bulgarischen Machtapparates. Dabei machte er rasant Karriere und war seither Polizeichef, Bürgermeister von Sofia, Ministerpräsident usw.
Bei ihm liefen und laufen alle Fäden zusammen. Er hat begriffen, daß die einzige Zukunft eines Politikers in Bulgarien die ist, sich zum Statthalter ausländischer Interessen zu machen. Dabei laviert er geschickt zwischen EU und USA.

2003 diente sich Bulgarien den USA im Irakkrieg an und schickte Soldaten. Daraufhin wurde Bulgarien 2004 in die NATO aufgenommen.
Die EU nahm Bulgarien nicht beim „Big Bang“ 2004 auf, weil es von Anfang an gar nicht dafür vorgesehen war. Um aber gegenüber den USA nicht ganz den Einfluß zu verlieren, folgte es dann doch, gemeinsam mit Rumänien 2007.
Beide Staaten sind bei ihren Beitrittsverträgen in Sachen Unterstützung deutlich schlechter gestellt als die Beitrittsstaaten von 2004. Aber die Lage Bulgariens war alternativlos, und die EU-Führung dachte auch, angesichts der damaligen Stärke des Euro und der Aufbruchsstimmung würde man diese wirtschaftlich schwachen Hinterhöfe schon irgendwie zum Besten der EU und des Euro einbinden können.

3. Bulgariens Weg in den Euro

Als nächstes folgte die Finanzkrise, die die Ambitionen der EU ein Stück weit begrub und die Eurozone überhaupt eine Zeitlang in Frage stellte. Außerdem fand 2020 der Brexit statt, der der EU-Führung vor Augen führte, daß ein Land mit eigener Währung die EU zwar mit Schwierigkeiten, aber doch verlassen kann.
Es galt also, eine Vorbildwirkung zu verhindern.

2020 war das Jahr, in dem Bulgarien dem Wechselkursmechanismus II beitrat. Es war das Jahr, nachdem Kristalina Georgieva 2019 Christine Lagarde als Direktorin des IWF abgelöst hatte.
Ein Schelm, wer hier einen Zusammenhang vermutet …
Geogieva war auch Mitglied der von Borissow gegründeten Partei GERB, die damals und heute die Regierung in Bulgarien stellte und tatkräftig an der Einführung des Euro arbeitete.

Mit Fragen, wie der Euro in die kyrillische Schrift zu übertragen sei, was die Umrechnungsrate zur derzeit auslaufenden Währung Lew („Löwe“, nach dem bulgarischen Wappen) wird, und welches Design die Münzen haben sollen, wurden die Leute auf die neue Währung vorbereitet.
Die Ablehnung des Euro in breiten Teilen der Bevölkerung wurde von den in solchen Fällen reichlich vorhandenen „Experten“ auf das „Unwissen“ in der Bevölkerung zurückgeführt – man hätte dann endlich eine stabile Währung und hätte ja auch bisher schon einen fixen Wechselkurs zum Euro, usw.

Aber es gibt Schwierigkeiten:

„Bereits seit zwei Wochen gehen Teile der bulgarischen Bevölkerung auf die Straße, zunächst, um gegen die Haushaltspläne für 2026 zu protestieren. Vor allem der staatliche Sicherheitsapparat hätte eine Menge Geld erhalten sollen. Doch der gilt als korrupt und soll weitgehend unter der Kontrolle des Oligarchen und DPS-Parteichefs Deljan Peewski stehen. Die Demonstranten erreichten, dass der Etatentwurf zurückgezogen wurde. Laut Transparency International ist Korruption in Bulgarien weit verbreitet. Innerhalb der EU hat nur Ungarn einen noch schlechteren Wert.
Die politische Krise in Bulgarien hält schon länger an. Nach massiven Anti-Korruptions-Protesten im Jahr 2020 gegen die damalige Regierung von Ministerpräsident Bojko Borissow hat das südosteuropäische Land bereits 7 vorgezogene Neuwahlen erlebt. Nun steht das Land schon wieder ohne Regierung da. Dabei erwartet es einen politischen und wirtschaftlichen Meilenstein: Am 1. Januar 2026 soll der Euro in Bulgarien eingeführt werden.“ (Deutschlandfunk, 11.12.)

Die Borissow & Co.-Gesellschaft, die die Einführung des Euro betreibt, war schon öfter im Zwielicht:

„2021 teilte das US-Außenministerium mit, es habe Wirtschaftssanktionen gegen mehrere prominente Bulgaren und ihre Unternehmen verhängt. Damit wolle man korrupte Akteure zur Rechenschaft ziehen und die Rechtsstaatlichkeit und die Stärkung demokratischer Institutionen in Bulgarien unterstützen. Das Eingreifen der USA, um in einem EU-Staat Rechtsstaat und Demokratie zu schützen, wurde als Unfähigkeit der EU gesehen, selbst auf den Mitgliedsstaat einzuwirken. Der Politiker-Oligarch Deljan Peewski und zwei weitere Geschäftsleute wurden im Juni 2021 wegen Beteiligung an bedeutender Korruption sanktioniert. Das in den USA gelagerte Vermögen ihrer 64 Unternehmen wurde beschlagnahmt und ein USA-weites Handelsverbot gegen jene Unternehmen ausgesprochen.
Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) bemängelte bereits mehrfach Korruption und Veruntreuung von EU-Geldern in Bulgarien. Im November 2008 kürzte die EU Bulgarien aufgrund mangelnder Fortschritte in der Korruptionsbekämpfung 220 Millionen Euro Fördergelder. Bereits im Juli 2008 waren 825 Mio. Euro an Hilfen vorübergehend eingefroren worden.“ (Wikipedia, Bulgarien)

Was der Rücktritt der Regierung eigentlich ausrichten soll, ist unklar.
Es ist anzunehmen, daß Borissow und seine engeren Mitarbeiter mit Hilfe der empörten Massen Ballast abwerfen, um sich nachher sowohl im Inland als auch der EU gegenüber als alternativlos anbieten zu können.
Mit frisch eingeführtem Euro, selbstverständlich.

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weitere Artikel zur Erweiterung der Eurozone:

Die Eurozone wächst! (Estland 2010)

Lettlands Beitritt zur Eurozone (2014)

Litauen tritt der Eurozone bei (2015)

 

Dezember 2025

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