1.3. Geschäfte mit Lombardo-Venetien

1.3.1. Vorgeschichte: Das Finanzsystem Lombardo-Venetiens und der napoleonische Monte

Das Geld- und Kreditwesen der Monarchie war im Vormärz uneinheitlich. In den Erblanden, Ungarn und Galizien war der Konventionsgulden die als Recheneinheit benützte Leitwährung, auf der dann das zirkulierende Papiergeld, zunächst Einlösungs- und Antizipationsscheine, genannt Wiener Währung, beruhte, im Verhältnis 1:2,5. Während des Vormärz’ wurden sie durch fortwährende Einlösung durch „Bankvaluta“, das den Konventionsgulden repräsentierende Papiergeld der Nationalbank, ersetzt. In Lombardo-Venetien hingegen war vor allem die 1823 eingeführte österreichische Lira, mit Verhältnis 3:1 zum Konventionsgulden, im Umlauf – offenbar in Münzform. Das Papiergeld konnte sich nämlich bis 1848 nie durchsetzen, und auch in den folgenden 11 Jahren nicht. (In diesem sturen Festhalten der Italiener am Münzgeld offenbarte sich ein anhaltender Widerstand gegen die österreichische Oberhoheit, die sie mit der Verwendung der österreichischen Banknoten ein Stück weit anerkannt hätten.) Deshalb wurde auch eine Filiale der Nationalbank, die zwecks Ausgabe und Umtausch der Banknoten in Oberitalien eingerichtet worden war, später wieder geschlossen. Die Weigerung der Bevölkerung der Lombardei und Venetiens, Papiergeld anzunehmen, brachte die Privaten, aber auch den Staat oft in Verlegenheit, wenn es galt, Geldüberweisungen vorzunehmen. Auch die in Italien stationierten Truppen mußten in Metallgeld bezahlt werden. Sina gelang es 1830, zusammen mit dem Bankhaus Arnstein & Eskeles, für dieses Jahr von der Staatsverwaltung den Auftrag für die Geldüberweisungen nach Italien zu erhalten. (Vorher war dies das Geschäft Geymüllers gewesen, der von den beiden unterboten worden war.)
Eine ähnliche Sonderstellung nahm Lombardo-Venetien hinsichtlich der staatlichen Anleihen ein. Sowohl die Lombardei als auch Venetien hatten während der Napoleonischen Kriege mehrmals den Besitzer gewechselt. Eine Zeitlang waren sie Teil des von Napoleon gegründeten „Königreichs Italien“ gewesen. Damals war der „Napoleonische Monte“ gegründet worden, ein staatliches Kreditinstitut, das aus drei Abteilungen mit gesonderter Buchführung bestand. Eine dieser Abteilungen zahlte Pensionen und kirchliche Dotationen aus, eine gab zu 5% verzinsliche Anleihen heraus und bediente die Zinsen auf diese; die dritte, die Amortisationskasse, kaufte die Anleihen früherer Regierungen an. Der Monte übernahm somit die Altschulden der Reiche, die vorher auf dem Boden des Königreichs Italien bestanden hatte, und gab neue Schuldverschreibungen heraus, unter anderem zur Finanzierung der Feldzüge auf italienischem Boden, wie 1810 für die Eroberung des Trentino. Nach der Niederlage Napoleons mußte Österreich entscheiden, wie es mit diesen in Oberitalien zirkulierenden Kreditzetteln verfahren wollte. Der von Metternich 1814 gemachte Vorschlag, die gesamte Altschuld für nichtig zu erklären, wurde vom damaligen Finanzminister Stadion nicht angenommen, vor allem deshalb, weil die Beschlüsse des Wiener Kongresses 1815 dahingehend lauteten, daß die Nachfolgestaaten des Königreiches Italien die Verbindlichkeiten des Napoleonischen Monte zu übernehmen hätten. Es handelte sich also nicht um eine Entscheidung, die Österreich allein treffen konnte. Nach langwierigen Verhandlungen der betroffenen Staaten – Österreichs, Piemont-Sardiniens, Parmas, Modenas und des Kirchenstaates –, wurde am 15.8. 1820 ein „Atto di Riparto“, ein Aufteilungsvertrag, für die Schulden und Aktiva des Napoleonischen Monte unterzeichnet. Die Aktiva bestanden aus Immobilien, Gütern und Gebäuden des ehemaligen Königs von Italien und aus Gebäuden der Staatsverwaltung, die in das Eigentum der Regierungen der Nachfolgestaaten übergingen.

 

1.3.2. Der lombardo-venetianische Monte

Zur Abwicklung der Verbindlichkeiten, die sich aus dieser älteren Staatsschuld der Lombardei und Venetiens ergaben, wurde von der österreichischen Regierung 1822 der lombardo-venetianische Monte gegründet. Die von Napoleon eingerichtete Dreiteilung der Kasse wurde beibehalten, aber modifiziert: Die eine Kasse, die für Ausgabe von Anleihen zuständig war, nahm dafür Einlagen an. Die „Kreditoren“ des Monte „erhielten Papiere, die zu 5% verzinslich waren. Die Bedienung dieser Zinsen hatte den Vorrang vor allen anderen Verbindlichkeiten des Königreiches Lombardo-Venetien.“ Der Monte gab also den Personen, die dort ihr Geld einlegten, den „Kreditoren“, eine Art Depositenscheine über ihr eingelegtes Vermögen, die zu 5% verzinslich waren. Diese Papiere, die auf den Überbringer lauteten, hießen Renturkunden. Für den Anleger glich diese Investition einer Spareinlage, die aber den gleichen Zinssatz wie eine Staatsschuldverschreibungen hatte. Vermutlich gab es eine Mindestgrenze für Einlagen, sonst hätten die Sparkassen der Lombardei und Venetiens, die einen geringeren Zinssatz anboten, nicht bestehen können, da jeder sein Geld zum Monte getragen hätte. Zum Unterschied von einem Sparbuch konnte der Besitzer dieses Wertpapier jedoch weiterverkaufen oder an Zahlungs Statt verwenden.
„Die Einnahmen aus dem Verkauf öffentlicher Güter in Lombardo-Venetien wurden der Amortisationskasse des Monte zugeteilt, zur Einlösung dieser Obligationen und dadurch zur vollständigen Aufkündigung dieser alten Schuld.“ Diese Kasse sollte also in erster Linie Schuldverschreibungen früherer Regierungen aufkaufen, und dadurch aus dem Verkehr ziehen. Die Annahme von Einlagen wurde offiziell ebenfalls diesem Zweck untergeordnet: Sie sollten sicherstellen, daß die Amortisationskasse für ihr Geschäft stets genügend Liquidität zugeführt bekam. Der bei der Einrichtung des Monte ausgegebene Grundsatz, daß diese Institution der Verringerung der in Lombardo-Venetien im Umlauf befindlichen Staatsschulden dienen sollte, wurde weder von der österreichischen Staatsverwaltung noch von der Präfektur des Monte je ernst genommen. Die Amortisationskasse kam dem Auftrag der Reduktion der älteren Schuld vor allem dadurch nach, daß sie den Besitzern älterer Obligationen diese alten Kreditzettel gegen neue, eben ihre eigenen, eintauschte. Diese Obligationen wurden also emittiert, wenn eine Spareinlage eingeflossen war, eine alte Obligation angekauft oder ein Vermögenswert des Monte veräußert worden war. Sodaß es genaugenommen zwei Arten dieser Renturkunden gab: Solche, die auf einer unmittelbaren Spareinlage beruhten und solche, die als Folge anderer Manöver des Monte ausgestellt wurden.
Da diese Obligationen des Monte – mit anderen Namen auch „Inskriptionen“, italienisch: „cartelle“ – durch Einlagen und die Hypothek des staatlichen Vermögens besichert waren, standen sie im Rufe besonderer Solidität. Genaugenommen gewährten diese Einlagen zwar gar keine Sicherheit, denn sie wurden ja zum Ankauf der alten Schuldzettel, die danach vernichtet wurden, oder der bereits zirkulierenden Renturkunden verwendet. Aber der Besitz von und fortgesetzte Zustrom an realem Vermögen verschaffte den Schuldverschreibungen des Monte große Popularität. „Die Schuld“ (des Monte) „belief sich 1841 auf 222 Millionen österreichischer Lire. Die Schuldscheine des Monte galten als sicherer Titel und eine beträchtliche Menge dieser Papiere befand sich – wenngleich sie mit der Zeit abnahm – im Portefeuille der (Mailänder) Sparkasse.“ (Die Mailänder Sparkasse hatte nämlich – wie viele Geldinstitute dieser Zeit – das Problem, wie sie die Einlagen der Sparer gewinnbringend anlegen könnte, um die Zinsen, die sie darauf zahlte, zu erwirtschaften. Sie griff daher zu einem höher verzinstem Staatspapier. Später stiegen die oberitalienischen Sparkassen auf Hypothekarkredite um und wurden zu den wichtigsten Kreditinstitutionen für die Modernisierung des Agrarsektors. )
Der Zinssatz für diejenigen Renturkunden, die auf einer Einlage beruhten, wurde 1830 im Einklang mit dem Zinssatz für die Staatsanleihen von 5 auf 4% herabgesetzt. Gleichzeitig wurden auch weiterhin 5%-ige Obligationen für den Ankauf älterer, ebenfalls 5%-iger Anleihen ausgestellt. Es gab Obligationen, die auf Namen und solche, die auf Überbringer lauteten. Die beiden besaßen eine unterschiedliche Rechtsstellung. Es ist den Akten, die sich mit den Geschäften Sinas befassen, nicht zu entnehmen, wann es bei seinen Ansuchen um welche Art dieser Schuldscheine ging.

Weder vom Interesse der Staatsverwaltung, ihre Verschuldungsfähigkeit auszudehnen, noch von der Seite der verschiedenen Kunden des Monte (Einleger und Abnehmer der Obligationen) gab es also einen Grund, die Ausgabe dieser Obligationen des Monte zu beschränken, wie es ursprünglich vorgesehen gewesen war.

 

1.3.3. Sinas erste Geschäfte mit den italienischen Obligationen

Georg Sina kannte die Renturkunden zunächst vermutlich als die einzigen in Lombardo-Venetien existierenden Schuldverschreibungen. In Oberitalien zirkulierten nämlich kaum Wechsel, da dort das Ausstellen eines Wechsels als Eingeständnis von Zahlungsunfähigkeit aufgefaßt wurde und daher niemand Wechsel annehmen wollte. Daher, und auch wegen der mangelnden Akzeptanz des Papiergeldes, waren Überweisungen nach Lombardo-Venetien und innerhalb des Königreiches eben nur in Münzgeld möglich – oder man bediente sich der Renturkunden, als Geldersatz.
1830 stellte Georg Sina erstmals den Antrag, Obligationen des Monte in der Höhe von 600.000 fl. von seinem Anteil an der Staatsanleihe von 1830 zu beziehen. Die Finanzverwaltung war sehr beflissen, diesem Wunsch nachzukommen. Die Obligationen wurden in Mailand gedruckt und per Postkutsche nach Wien gebracht. Aus dem Schriftverkehr der Behörden und der Form der Abwicklung läßt sich schließen, daß zumindest die Hofkammer bei dem Begehr Sinas keine Spekulationsabsichten vermutete, sondern das Verlangen nach den Kreditpapieren des Monte im Zusammenhang mit den von Sina in diesem Jahr übernommenen Geldüberweisungen sah.
Ebenfalls in diesem Jahr wandte sich einer der Handelspartner Sinas, das Mailänder Wechselhaus Regni, an Sina mit der Bitte, seiner Beschwerde über die Amortisationskasse des Monte bei der Staatsverwaltung Nachdruck zu verleihen. Diese Kasse, die für den Ankauf von Schuldverschreibungen der älteren und neueren Staatsschuld eingerichtet worden war, übernehme ihre eigenen Renturkunden nur von der Mailänder Sparkasse und erschwere und gefährde dadurch den Handel mit diesen Papieren. Die Hofkammer wies den Vizekönig des Königreiches an, diese Praxis zu unterbinden oder den Fonds der Amortisationskasse in zwei Teile zu teilen, um außer von der Sparkasse auch an der Mailänder Börse Staatspapiere ankaufen zu können. Sina hatte in seiner Beschwerde ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Unterbindung des freien Handels dem Kurs der Renturkunden schade.
1831 bezog er abermals Obligationen des Monte anstelle von Anleihen, in der Höhe von 120.000 fl.CM. Aus einem anderen Akt geht hervor, daß allen 4 Wechselhäusern in einem der Anleihen-Verträge von 1831 (es gab in diesem Jahr 3 Staatsanleihen) das Recht eingeräumt worden war, einen Teil des von ihnen übernommenen Betrages auch in Obligationen des Monte zu beziehen. Sowohl die Anleihe überhaupt als auch diese Klausel sollten geheim bleiben: Seine Kaiserliche Hoheit, die die Anleihe schließlich genehmigt hatte, – so teilte der damalige Hofkammerpräsident Klebelsberg den Behörden Lombardo-Venetiens mit –, habe zur Kenntnis genommen, „daß diese Maßregel keiner eigenen Kundmachung bedarf, da auch das damit in Verbindung stehende Anlehen nicht besonders bekannt gemacht worden ist.“

Sina verband weiters seine privaten Kreditgeschäfte in Mailand mit den Renturkunden und mit seiner Kreditierung des Staates. Er ersuchte, angeblich auf Verlangen einiger seiner Mailänder Geschäftspartner, Gelder von Waisenkassen in Oberitalien in Obligationen des Monte anlegen zu dürfen, was bis dahin rechtlich nicht möglich gewesen war. Dies würde den Absatz dieser Obligationen sehr befördern, was doch auch im Interesse der Staatsverwaltung sei. Er erbat entsprechende Weisungen. Die Hofkammer teilte ihm mit: Solche Weisungen seien inzwischen hinfällig, da inzwischen alle Obligationen auf den Besitzer ausgestellt werden könnten und damit das rechtliche Hindernis entfiele.

1832, nach einem Jahr umfangreicher Anleihen, an denen Sina in sehr hohem Ausmaß beteiligt war, richtete er ein Schreiben an die Hofkammer, in dem er darum ersuchte, einen Summe von 400.000 fl. statt in 5%-igen Metallique-Obligationen in Renturkunden der Monte zu übernehmen. Er berief sich diesmal auf seiner persönlichen Verwaltung unterstehende Waisengelder, die er in Renturkunden anlegen zu wollen. Der folgende Schriftverkehr der Ämter läßt erkennen, daß nun erstmals Bedenken gegen die Gewährung dieses Gesuches auftraten. Ein Gutachten wies darauf hin, daß in dem den Renturkunden aufgedrucktem Text ein Patent von 1820, das sich wahrscheinlich auf den „Atto di Riparto“ bezog, erwähnt wurde. Die Ausstellung dieser Papiere berühre also die Interessen anderer Staaten. Ferner erwähnte das Gutachten, daß Ausgabe dieser Urkunden an vorausgegangene Liquidationen alter Schuldverschreibungen des Königreichs Italien gebunden sei. Dann schränkte der Gutachter ein, daß eine ähnliche Bestimmung auch für die österreichischen Schuldverschreibungen erlassen worden, aber schon längst stillschweigend außer Kraft gesetzt worden war.
Dem Ansuchen Sinas wurde stattgegeben. Da die Renturkunden nur in Mailand ausgestellt und übergeben werden konnten, erhielt er diesmal in Wien Anweisungen auf diese Papiere in Mailand. Diese Renturkunden wurden auf den Namen des Einlegers ausgestellt. Sina ließ also entweder die Namen der Mündel, deren Gelder er verwaltete, oder die seiner italienischen Partner, die dies für ihn besorgten, auf den Urkunden eintragen.

Mit all diesen Geschäften war tatsächlich in einem entscheidenden Punkt gegen die Bestimmungen des Monte verstoßen worden. Das besondere Prinzip dieses Kreditinstitutes war gerade gewesen, daß jeder Ausstellung von Schuldscheinen eine Einlage in Geld oder anderen Vermögenswerten entsprechen sollte. Die Zahlung, die Sina leistete, blieb jedoch in den Händen der Staatsverwaltung in Wien und landete nie in Mailand. Das Geld der Waisen, das Sina zum Anlaß für den Umtausch in Renturkunden genommen hatte, verblieb in seiner eigenen Disposition. „In anderen Worten, so wurden österreichische Schulden mit italienischem Geld bezahlt.“

Es ist anzunehmen, daß sich die anderen Wechselhäuser in ähnlichem Umfang an der Spekulation mit den Obligationen des Monte beteiligt haben. Sina hatte im Dezember 1834 der Hofkammer eine Abrechnung vorgelegt, in der er die innerhalb eines Jahres bezogene Nominal-Summe für Renturkunden mit 3,5 Millionen fl. angab. Für die nächsten Jahre liegen keine ähnlichen Gesuche oder Abrechnungen Sinas vor.

 

1.3.4. Die endgültige Einbeziehung des Monte in das System der österreichischen Staatsanleihen

Bei der Anleihe von 1841 wurde das Recht, bei den jeweiligen Übernahmeterminen statt der gewöhnlichen Staatschuldverschreibungen auch die Renturkunden des Monte beziehen zu dürfen, in dem Anleihen-Vertrag festgehalten. Dies scheint eine Bedingung der Bankhäuser gewesen zu sein, zu der diese auf die vom Hofkammerpräsidenten in diesem Vertrag gesetzten Bedingungen einzugehen bereit waren. Wieder äußerte der Erzherzog des lombardo-venezianischen Königreiches Bedenken, und wies auf Textierung und Bestimmung der Urkunden hin. Dieser Bedenken wurden von Kübeck zurückgewiesen: Da bisher beim Handel mit den Urkunden keine Störung aufgetreten sei, auch keine Anfragen an die Bankhäuser oder die Finanzverwaltung gestellt worden seien, sei von einer Änderung des Textes der Urkunden abzusehen. Diese Textierung sei auf ausdrücklichen Wunsch der Bankhäuser beibehalten worden. Aus Gründen der Vertrauensbildung sollte also die inzwischen unrichtige Bestimmung dieser Obligationen, nämlich zur Tilgung von Altschulden zu dienen, weiter behauptet werden.
Dies alles, obwohl zwei Monate vorher bei der Hofkammer angefragt worden war, ob ein Kurssturz der Renturkunden auf der Mailänder Börse vielleicht auf die Tätigkeit Sinas zurückgeführt werden könnte?

Während bei den früheren Renturkunden-Bezügen Sinas in den 30-er Jahren immer noch ein Zusammenhang zwischen einem konkreten Überweisungs- bzw. Anlagebedürfnis und der Ausstellung der Urkunden von ihm angegeben worden war, so übernahmen die 3 Bankhäuser in den 40-er Jahren große Mengen von Anweisungen auf den Monte, deren weitere Verwendung nicht mehr aktenkundig ist. So hat nur Sina im Jahr 1841 360.000 fl., 1843 408.000 fl., 1844 bereits mehr als 1,060.000 fl., 1845 sogar 1,760.000 fl. in Anweisungen auf Renturkunden bezogen. Im Jahre 1846 machte er immerhin noch ein Interesse auf 1,147.000 fl. geltend.

„Die Papiere … wurden auf der Börse gehandelt und … ihr Wert stieg von einem Minimum von 86% im April 1831 auf mehr als 111% im Jahr 1837. 1844 erreichten sie 118%. In diesem Jahr fiel der Kurs auf 105, – als Folge von Gerüchten über Manipulationen der Fonds des Monte, die durch geheime Dekrete aus Wien angeordnet worden waren (diese Gerüchte wurden später bestätigt) –, und erreichte in Zukunft nicht mehr als 111%.“

Im Jahr 1846 begannen für Sina Schwierigkeiten im Handel mit diesen Obligationen, er richtete deshalb ein Gesuch an die Hofkammer: „Nachdem der Absatz einer so bedeutenden Summe nur langsam von statten gehen kann, diese Inskriptionen daher noch sehr lange Zeit in meinem Besitze bleiben und sich die ohnedem schon 3 Jahre darauf haftenden Zinsen auf 4 Jahre und länger aufhäufen dürften,“ ersuchte er, die fälligen Zinsen an einen Mailänder Geschäftspartner, das Handelshaus Balabio Besana, auszahlen zu lassen. Dieses Gesuch stürzte die Finanzverwaltung in Verlegenheit. Sie befürchtete, daß die Gewährung von Sinas Ansuchen die Machinationen um diese Wertpapiere öffentlich machen könnte. Aus dem Schriftverkehr wird klar, daß Sina nur die in Wien ausgestellten Anweisungen auf die Mailänder Kassa besaß, die er bisher nicht eingelöst hatte. Wäre er bzw. der von ihm genannte Vertreter mit diesen inzwischen 3 Jahre alten Anweisungen bei der Kassa des Monte erschienen, so hätte dies Aufsehen erregen können. Außerdem bestand zwar eine Verpflichtung des Monte, auf bereits ausgestellte Renturkunden Zinsen zu entrichten, bezüglich der ominösen Anweisungen herrschte jedoch ein rechtliches Vakuum. Die Hofkammer erklärte sich bereit, den fälligen Zinsbetrag an Sina in Wien zu zahlen und für die in Sinas Händen befindlichen Anweisungen neue, aktuelle auszustellen, deren Einlösung in Renturkunden und deren regelmäßige Verzinsung er dann seinem Mailänder Partner überlassen könne.

Dann begannen Gesuche Sinas, sowohl Anweisungen als auch bereits auf ihn ausgestellte Renturkunden in Metallique-Obligationen umtauschen zu dürfen. In der Behandlung des Gesuches steht der Grund für Sinas Wunsch, sich der Renturkunden zu entledigen: „Auch stehen gegenwärtig die Monte-Obligationen niedriger als die 5%-Obligationen.“ Da diese an Sina ausgefolgten Renturkunden bereits in der Buchhaltung des Monte figurierten, und da die ganze Angelegenheit ohnehin rechtlich heikel war, stürzten diese Gesuche die Finanzverwaltung abermals in Verlegenheit. Sie befürchtete einen weiteren Kurssturz der Obligationen des Monte. Sinas Gesuche wurden schließlich 1848 nach langem Hin und Her abgelehnt. Aufgrund der Unruhen in Italien war der Kurs der Monte-Papiere offenbar noch schneller als der der gewöhnlichen Staatsanleihen gesunken. Als schließlich alle österreichischen Staatspapiere 1848 entwertet waren, wurde es für Sina auch uninteressant, Kursunterschiede auszunützen.

Ein letztes Mal tauchen „lombardische Metalliques-Obligationen“ in Gesuchen aus den Jahren 1851 und 1852 auf. Der Monte, als Moment der administrativen Eigenständigkeit Lombardo-Venetiens, war offenbar bereits aufgelöst, seine Obligationen der Menge der restlichen Staatsanleihen einverleibt worden. Sina ersuchte, die fälligen Zinsen auf diese Obligationen in Frankfurt anweisen zu lassen. Ein Teil dieser Zinsen – für Obligationen, die er einem ausländischen Kunden verkauft habe –, sei ursprünglich in Amsterdam zahlbar gewesen. Diese im Vormärz – zumindest bei den italienischen Obligationen – unübliche Praxis, Zinsen auf das Ausland anweisen zu lassen, ist vermutlich im Zusammenhang mit den Bestrebungen der Monarchie zu sehen, ihr Kreditwürdigkeit auch außerhalb der Landesgrenzen wiederherzustellen. In diesem Falle hingegen war die Bemühung nicht sehr stark: Das Ansuchen Sinas wurde wegen Fristversäumnis abgelehnt.

 

1.4. Das Auffüllen des Bankschatzes und die Abwicklung des Zahlungsverkehrs im Inland

Der Hofkammerpräsident hatte bereits 1830 von einer besorgniserregenden Abnahme des Münzschatzes der Nationalbank berichtet. Die Finanzverwaltung hatte sich nämlich selbst die Verpflichtung einer gewissen prozentuellen Bedeckung des im Umlauf befindlichen Papiergeldes durch klingende Münze auferlegt. Zur Stützung des Vertrauens in das Papiergeld erteilte sie der Bevölkerung das Recht, bei bestimmten Kassen Papiergeld gegen Münzgeld umzuwechseln. Das Lästige war, daß die Menschen dieses Recht nicht nur als Beweis der Solidität der staatlichen Kreditzettel zur Kenntnis nahmen, und dem Papiergeld grenzenloses Vertrauen entgegenbrachten, sondern daß sie von diesem Recht auch Gebrauch machten. Vor allem in Krisenzeiten, wenn verschiedene Anzeichen auf Krieg hindeuteten und eine verstärkte Vermehrung und damit Entwertung des Papiergeldes zu befürchten war, hortete das Volk gerne Münzgeld. Nach einem Bericht eines Nationalbankdirektors hatte die Julirevolution in Frankreich einen Fall aller, auch ausländischer, Staatspapiere verursacht und die Nachfrage nach Münzgeld steigen lassen. Infolgedessen habe die Nationalbank innerhalb eines Jahres 9 Millionen Gulden Silbergeld auszahlen müssen. Dadurch sei die Deckung des in Umlauf befindlichen Papiergeldes bedenklich zurückgegangen.
Dafür, bei welchen Quantitäten staatliche Stellen dieses Verhältnis als bedenklich einstuften und wann als beruhigend, gibt es keine Anhaltspunkte. Es ist zu bezweifeln, daß es für die Unterscheidung wissenschaftlich fundierte Kriterien gab oder überhaupt geben kann. Jedenfalls sah die Finanzverwaltung im Jahre 1831 Handlungsbedarf gegeben und beschloß, im Ausland Silber anzukaufen, um es dann in Münze zu prägen. Diese Operation bedurfte „der äußersten Vorsicht in Beziehung auf den ausländischen Wechselkurs“. Zu deutsch: Wären die Silberkäufe publik geworden, so hätten diese das Vertrauen in die österreichische Währung erschüttert, und den Absatz österreichischer Anleihen im Ausland erschwert.
Für diese delikate Aufgabe wurden abermals die 4 Bankhäuser eingesetzt. Sie wurden beauftragt, Silber im Gegenwert von 12 Millionen Gulden CM im Ausland anzukaufen. Nicht nur ihre Diskretion befähigte sie dazu, sondern auch der Umstand, daß sie für den Ankauf von Edelmetall staatliche Kreditzettel als Vorschuß-Zahlung annahmen, die sogenannten Zentralkassa-Anweisungen, mit denen sie dann bei der Zentralkasse der Nationalbank „Bankvaluta“, also Papiergeld, erhielten. Ihre Einnahmen bestanden lediglich aus einer Provision von 1%, was bei 12 Millionen 120.000 fl. ausmacht. Sie erhielten für Silber vom Gewicht einer feinen Mark 24 Gulden CM. Das war der offizielle Umrechnungskurs, aber es ist anzunehmen, daß sie Möglichkeiten hatten, ihre Einkäufe im Ausland zu einem niedrigeren Preis zu tätigen. Schließlich bedungen sie sich aus, daß die Zentralkassa-Anweisungen, die sie als Zahlung erhielten, „7 Monate nach dato zahlbar“ seien. In diesen 7 Monaten verwendeten sie diese Anweisungen auf Bargeld wie Wechsel und verschafften sich vermutlich dabei noch einen zusätzlichen Verdienst.
Diese Zentralkassa-Anweisungen waren ein Papiergeld-Ersatz des Staates, mit dem die Nationalbank die Hofkammer kreditierte. Sie waren praktisch Schuldscheine des Staates auf sich selbst und dienten den Bankhäusern vor allem als Mittel für Überweisungen im Inland. Sie konnten nämlich auch auf Filialkassen der Nationalbank umgeschrieben und dann dort vom Empfänger eingelöst werden. Mit ihnen konnte also in solche Orte Geld überwiesen werden, in denen eine Filiale der Nationalbank bestand. Sina hatte daher immer eine große Menge dieser Anweisungen vorrätig, um zu jedem verlangten Datum Überweisungen vornehmen zu können. Er übersendete solcherart 1847 an Stephan Széchenyi eine „Bankanweisung auf Ofen“ in der Höhe von 100.000 fl. für die unter seiner Leitung stattfindende Regulierung der Theiß. Dafür verrechnete er eine Provision von 11/6%, 62 fl. 30 kr. und bezeichnete dies als die sicherste Möglichkeit, eine solch bedeutende Summe zu überweisen.
1840 und 1841 war Sina ebenfalls an einer Silberlieferung beteiligt, bei der die Münzprägeanstalten in Mailand und Prag beliefert wurden, über die Hintergründe und Details dieses Geschäftes existieren jedoch keine Unterlagen.

 

1.5. Der Zahlungsverkehr mit dem Ausland, besonders im Jahre 1848

Der gesamte Zahlungsverkehr mit dem Ausland konnte nur entweder in Münzgeld oder unter Inanspruchnahme der Bankhäuser abgewickelt werden. Silbergeld und Dukaten durch die Lande zu schicken, war immer mit Risiko verbunden, vor allem auf dem Balkan, wo die Straßenräuberei von allen Kreisen der Bevölkerung, Beamte mit eingeschlossen, ausgeübt wurde. Die Staatsverwaltung bediente sich daher sehr häufig der Dienste der Bankhäuser für Zahlungen, die sie im Ausland zu tätigen hatte. Das Bankhaus Sina überwies seit den 30-er Jahren immer wieder mittels Wechsel oder Kreditbrief Geld an die Auslandsvertretungen in Belgrad, Galatz, Saloniki, Istanbul, Athen, und versah Mitglieder des Hofes und der Staatsverwaltung für ihre Auslandsreisen mit Kreditbriefen, die auf seine Handelspartner in den betreffenden Städten lauteten.

Während der Jahre 1848 und 1849 leistete das Bankhaus Sina im wahrsten Sinne des Wortes unbezahlbare Dienste für den österreichischen Staat. Es erwies sich nämlich, daß der private Kredit dieses Bankhauses während und nach Revolution und Bürgerkrieg intakt blieb, während der des Staates für ein Jahrzehnt lang schweren Schaden im In- und Ausland nahm.
Im Bestreben, für die österreichischen Staatsanleihen auch im Ausland Käufer zu finden, hatte die Staatsverwaltung seit den 20-er Jahren auch in Frankfurt Ziehungen eingerichtet, die über die Bankhäuser Bethmann und Rothschild abgewickelt wurden. Es kam das Revolutionsjahr 1848, das durch eine internationale Finanzkrise eingeleitet wurde. Alle Kreditpapiere, staatliche und private, waren auf einmal zweifelhaft, und die Frankfurter Bankhäuser verlangten Bargeld, um die Zahlungen auf die österreichischen Staatsanleihen weiterhin leisten zu können. Sie selbst waren offenbar nicht mehr willens, dem österreichischen Staat Kredit zu geben, und die Besitzer der Obligationen wollten bare Münze empfangen und nicht staatliche oder private Schuldverschreibungen.
Die österreichische Staatsverwaltung wollte um jeden Preis weiterhin die Zinsenzahlung und Einlösung der Obligationen in Frankfurt leisten, um nicht im Ausland ein neuerliches Datum für Mißtrauen in den Staatskredit zu setzen. Außerdem wurde über Rothschild auch das in den deutschen Staaten stationierte österreichische Militär besoldet und die Beiträge Österreichs an den Deutschen Bund abgeführt. Auch diese Zahlungsverpflichtungen wollte die Staatsverwaltung unbedingt weiter erfüllen, da hier der Einfluß im Deutschen Bund, d.h. die Staatsmacht selbst, auf dem Spiel stand.

Trotz des Mangels an barer Münze im Inland – wie immer, wenn die Zeichen auf Krise standen, hortete das Volk Metallgeld – übersendete die Finanzverwaltung Silbermünzen nach Frankfurt. Diese Lieferungen mußten bald eingestellt werden, da sie zu Aufruhr der Einwohner Böhmens in den grenznahen Gebieten führte, die die Verschickung von Metallgeld ins Ausland als einen Akt des Verrats gegen die eigene Bevölkerung auffaßten.
Die Überweisung einer Geldsumme von 150.000 fl.CM an Bethmann war bereits 1847 und Anfang 1848 durch Wechsel des Bankhauses Sina auf Frankfurt erfolgt. Im November überwies Sina weitere 52.000 fl.CM über Wechsel, die er der Staatsverwaltung zu einem Kurs von 110% verrechnete, ausgerechnet an Rothschild in Frankfurt. Die Verbindungen des Hauses Rothschild zwischen Frankfurt und Wien, die den ganzen Vormärz hindurch zum Prosperieren dieses Bankhauses beigetragen hatten und eine Säule der österreichischen Finanzverwaltung gewesen waren, waren also zu diesem Zeitpunkt nicht existent, sodaß Sina hier einspringen mußte. Diese Wechsel, die Sina nach Frankfurt übersendete, waren zudem nicht Eigenwechsel oder auf ein Frankfurter Bankhaus ausgestellte Wechsel, sondern sie lauteten auf eine Summe in Franc und auf ein Pariser Bankhaus namens Tavernier. So besoldete der österreichische Staat 1848 seine Soldaten in Deutschland: Über auf Paris lautende Wechsel eines Wiener Privatbankiers.

Ähnliches spielte sich auch in einer ganz anderen Gegend ab: Die österreichischen Truppen, die zur Niederschlagung des ungarischen Insurgentenheeres in Siebenbürgen eingesetzt worden waren, wurden über Bukarest verpflegt und besoldet. Das zweite Bankhaus, das neben Sina versuchte, das lecke Schiff der österreichischen Finanzen vor dem Versinken zu bewahren, Stametz, konnte schließlich seine Verpflichtungen gegenüber einem Bukarester Bankhaus nur dadurch erfüllen, daß es über Sina Wechsel auf London bezog und diese an seine Bukarester Geschäftspartner weiterleitete. Sina organisierte selbst eine andere Geldauszahlung in Bukarest an das österreichische Heer, bei der er sich mit „Anweisungen auf Mailand“ behalf.

Fortsetzung: Kommunal- und Privatkredit

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