Das Elend des zeitgenössischen Antifaschismus: Nichts als Vergangenheitsbewältigung!

 

Die FPÖ fällt öfter mit leicht abweichenden Äußerungen zur „Vergangenheit“ auf. Anlässlich des „Internationalen Holocaust-Gedenktages“ am 27.1. beispielsweise melden sich SPÖ, ÖVP, Grüne etc. mit den üblichen Phrasen gegen das „Vergessen“ zu Wort. Die FPÖ tut das etwas anders: Dort sieht man sich bzw. den WKR-Ball als Opfer von antifaschistischem „Hass“ und ebensolcher „Intoleranz“ – pädagogische Plattitüden staatlicher Würdenträger gegen „Hass und Intoleranz“ gelten ja als irgendwie „antifaschistisch“ gemeinte Stellungnahmen. FPÖ-Vilimsky dazu: „Grün und Rot nehmen Holocaust-Gedenktag als Vorwand für Hetze gegen politisch Andersdenkende.“ (www.fpoe.at) Aus Sicht der FPÖ wird also durch die Linke das „Andenken an die Opfer des Nazi-Regimes“ gröblich „missbraucht“ – ein Andenken, dessen Pflege, wie man weiß, ein Herzensbedürfnis der freiheitlichen Gesinnungsgemeinschaft ist.

Ab und an wird gegen die FPÖ der Vorwurf erhoben, sie verweigere sich einem „antifaschistischen Grundkonsens“, auf dem die Republik Österreich angeblich basiert. Das stimmt, die FPÖ reklamiert „Antifaschismus“ nicht für sich und hält nichts von einem derartigen „Grundkonsens“, der sei nicht „identitätsstiftend“ und tauche „erst 1983“ in Österreich auf, so der dritte Nationalratspräsident und Burschenschafter Martin Graf. Das gibt es also auch: Eine staatsragende Partei, die sich vom Antifaschismus fernhält. Aus der Distanz zu diesem „Anti-Faschismus“ folgt aber nicht zwingend, dass es sich bei der Gesinnung der Partei um Faschismus handelt. Es gibt in dem Fall nämlich etwas drittes, etwas, das als „Erinnerungskultur“ oder als „Gedenkpolitik“ oder als „Aufarbeitung“ oder als „Vergangenheitsbewältigung“ viel besser charakterisiert ist: Es geht um die Inszenierung eines zeitgemäßen Österreich-Bildes im Gestus der Läuterung, durch die Präsentation von viel „Erinnerung, Reue und Verantwortung“ – und das alles mit einem Zerrbild des Faschismus als Kulisse, um sich schön davon abzuheben. Darum geht der Streit. Die Linken verwechseln diese Distanz der FPÖ zum staats-offiziösen „Anti-Faschismus“ mit versuchter „Wiederbetätigung“ oder „Verharmlosung“ und halten die Selbst-Feier dieser Burschen, ob schlagend oder nicht, in einem repräsentativen Palast der Republik nicht aus. Dabei treibt die Rechten die gleichartige Sorge um ein ordentliches Österreich-Bild, um die österreichische Identität eben.

Die mehr gegenwartsbezogenen Vorstellungen von FPÖ und Burschenschaften ziehen ebenfalls Kritik und Faschismusverdacht auf sich: „Elitedenken“, übertriebene „Männlichkeit“ und „Nationalismus“, womöglich auch noch ein „deutscher“, sind die einschlägigen Vorwürfe – so dass demzufolge also Unterschichtler, Frauen und Ausländer über Gebühr unter dem unheilvollen Einfluss der Rechten leiden würden. Mag sein oder auch nicht sein – aber inwiefern soll dergleichen demokratisch gewählter „Rechtsextremismus“ völlig inkompatibel mit unserer Demokratie sein? Speziell der angebliche Beitrag der FPÖ zur Ausländerpolitik ist legendär; es gibt Leute, die allen Ernstes die FPÖ für die österreichische Ausländerpolitik verantwortlich machen – die „Freiheitlichen … diktierten die auf Ausländer anzuwendenden Gesetze“ (Christian Rainer, profil 11/2013) –, weil sie eine Ausländerpolitik, die so gut zur freiheitlichen Hetze passt, offenbar nicht mit ihrem lieblichen Österreich-Bild vereinbaren können.

Gelegenheit zur Diskussion Mittwoch 10. 4. 2013 19:00, Neues Institutsgebäude (NIG) HS 3

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Die nationalsozialistische Herrschaft


Der Nationalsozialismus und der Völkermord an den Juden sind entgegen anderslautenden Behauptungen sehr wohl erklärbar. Die Schwierigkeit dabei, wenn es denn eine gibt, ist nicht die Sache selbst, sondern deren Instrumentalisierung durch Nachkriegspolitik und Vergangenheitsbewältigung. Der Faschismus ist in der Demokratie ständig präsent, als das negative Gegenbild zur Demokratie, die sich durch den interessierten Vergleich mit dem Faschismus immerfort selbst verklärt. Deswegen sind auch beide Systeme nur sehr verzerrt in diesem öffentlichen „Diskurs“ zugange, der Faschismus nicht als der real stattgehabte, sondern als ein Feindbild, und auch die Demokratie nicht als die real existierende, sondern eben als gegenläufiges Freundbild. Das führt schon in der Fragestellung zu sehr bezeichnenden Vorentscheidungen und Unterstellungen. Ein repräsentatives Beispiel:

„ … die Frage, die Zeitzeugen und Historiker nunmehr seit 60 Jahren umtreibt: »Wie waren Hitler und der Nationalsozialismus möglich?« … Bei der Eroberung der Macht durch die Nationalsozialisten gab es ein Ineinandergreifen von Gewalt und Verführung. Der Terror gegenüber politisch Missliebigen und Juden war eine Seite des Regimes. Die andere war ein Eingehen auf Sehnsüchte und Hoffnungen breiter Massen der Bevölkerung. Die Nationalsozialisten verstanden es offenkundig besser als ihre Konkurrenten, sich als Bollwerk gegen den umstürzenden gesellschaftlichen Wandel in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts darzustellen. Nur die Beachtung beider Aspekte des nationalsozialistischen Regimes bietet Ansätze für die Erklärung des Nationalsozialismus und seine dauerhafte Unterstützung bis zum Kriegsende durch große Teile der Bevölkerung. … Diese Zeitspanne wurde geprägt von einem deutschen Diktator, der fast bis zu seinem Ende auf eine gläubige Gefolgschaft und Zustimmungsbereitschaft der großen Mehrheit der Deutschen setzen konnte, der einen Völkermord und einen Krieg anstiftete und damit einen der größten Zivilisationsbrüche der Neuzeit verursachte. Wie konnte er mit seiner Massenbewegung einen hoch entwickelten und modernen Industriestaat mit einer großen kulturellen Tradition unter seine diktatorische Gewalt bringen? Wie war es möglich, dass die überwiegende Mehrheit der Deutschen sich mit diesem Unrechtsregime arrangiert hat? Wie konnten sich in einer solchen Gesellschaft mit ihrer rechtsstaatlichen Tradition und ihrer technisch-wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit derartige kriminelle Verfolgungs- und Vernichtungsenergien entfalten, wo doch die Kriminalitätsrate dieser Gesellschaft bis dahin nicht höher war als die in den anderen europäischen Ländern? … Denn zu einzigartig und unvorstellbar sind die Massenverbrechen, die vom nationalsozialistischen Deutschland begangen wurden. Auch wenn die Fakten längst bekannt sind, wird es immer schwer sein, die nationalsozialistische Eroberungs- und Vernichtungspolitik begreiflich zu machen, sie mit unseren sprachlichen und wissenschaftlichen Mitteln zu erklären, ohne sie dabei zu verharmlosen.“ (Informationen zur politischen Bildung, Heft 251, Nationalsozialismus I, Deutsche Bundeszentrale für politische Bildung, 2003)

Muss man denn daran erinnern, dass die nationalsozialistische „Eroberung der Macht“ auf sehr bekannte Art und Weise erfolgte, nämlich durch demokratische Wahlen und die anschließende Bildung einer Regierungskoalition? Erfüllt es nicht den Tatbestand der Desinformation, wenn der NSDAP nachgesagt wird, sie hätte sich als „Bollwerk“ gegen ein Geistersubjekt namens „gesellschaftlicher Wandel“ präsentiert – durchaus in Kenntnis dessen, dass der Terror dieses „Bollwerks“ gegen ganz andere „Missliebige und Juden“ offenbar „Sehnsüchte und Hoffnungen breiter Massen der Bevölkerung“ bediente, weswegen die „gläubige Gefolgschaft und Zustimmungsbereitschaft der großen Mehrheit der Deutschen“ auch wieder kein großes Rätsel ist? Der Führer und die Geführten waren sich also im Grundsätzlichen durchaus einig – es fragt sich angesichts solcher schräger „Informationen zur politischen Bildung“ höchstens, worin und warum!

Warum sollte denn eine „moderne Industrie“ und eine „kulturelle Tradition“ ein Gegensatz zu „Diktatur“ sein, wie die „Bundeszentrale für politische Bildung“ hier unterstellt – Industrie und Kultur per se antifaschistische Errungenschaften, ja inwiefern denn? Ein derartiges „Unrechtsregime“ hätte obendrein angesichts einer „rechtsstaatlichen Tradition“ und einer nur durchschnittlichen „Kriminalitätsrate“ bei den ordentlichen Deutschen doch gar keine Chance haben dürfen – ist diese Entpolitisierung des Nationalsozialismus nicht schon richtiggehend einfältig bzw. grenzt das nicht an bewusste Irreführung und Verharmlosung, so als wäre Hitler nicht wahlkämpfender Politiker, gewählter Reichskanzler und Oberbefehlshaber einer Armee gewesen, sondern eine Art Krimineller, ein Serienmörder, der durch eine Kombination unglücklicher Umstände an die Staatsmacht gelangte, und dadurch leider unbehelligt seinen letztlich unpolitischen perversen Neigungen frönen konnte?
Schließlich: Wieso sollte denn ausgerechnet die Erklärung der „nationalsozialistischen Eroberungs- und Vernichtungspolitik“ die Gefahr der „Verharmlosung“ in sich bergen? Alles „verstehen“ heißt alles „verzeihen“? Aber doch nie und nimmer! Gerade wenn einen die Monstrosität der Leistungen des Dritten Reiches in Sachen Menschenvernichtung schwer beeindruckt, wäre das Wissen um deren Gründe doch unverzichtbar … Und: Ist die gesetzliche Untersagung des Faschismus tatsächlich ein Mittel gegen ihn – gibt es Faschismus immer nur dann, wenn er nicht rechtzeitig verboten wird?

Gelegenheit zur Diskussion Mittwoch 16. 4. 2013 19:00, Neues Institutsgebäude (NIG) HS 3

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