III. TEIL. DIE WIRTSCHAFTLICHE ENTWICKLUNG BIS 1848

 

1. Die Auswirkungen der napoleonischen Kriege

Die feudale Wirtschaft Ungarns wurde durch die napoleonischen Kriege in ihren Grundfesten erschüttert. Zunächst stellte sich diese Umwälzung für die Beteiligten durchaus positiv dar. Ungarn war von Kriegshandlungen nicht betroffen, gewann aber große Bedeutung für die Versorgung der Armee, sowohl mit Lebensmitteln als auch mit anderen kriegswichtigen Waren. Zusätzlich wurde der Orienthandel, der bis dahin das Monopol Englands gewesen war, wegen der Kontinentalsperre über Ungarn abgewickelt, belebte den Handel also noch zusätzlich. Die Gewinne aus dem Transithandel verblieben größtenteils in den Händen von Kaufleuten aus den österreichischen Erblanden oder aus dem Osmanischen Reich, aber als Heereslieferanten bewährten sich auch ungarische, vor allem jüdische Kaufleute. Diejenigen Großhändler, die im Vormärz zu bestimmenden Gestalten des ungarischen Handels und auch des Kreditwesens wurden, haben mehrheitlich in dieser Zeit den Grundstock zu ihrem Vermögen gelegt, wie z.B. Móricz Ullmann und Samuel Wodianer. Die napoleonischen Kriege haben somit zum Erstarken des Handelskapitals in Ungarn beigetragen.
Eine weitaus durchschlagendere Wirkung hatte die Kriegskonjunktur jedoch für die Produzenten. Der Adel, aber auch ein Teil der Leibeigenen begann in verstärktem Maße für den Markt zu produzieren. Anbau, Viehhaltung zum Zwecke des Verkaufs tritt in den Vordergrund. Mit dem Zugang zu Geld, der sich durch diese Möglichkeiten ergab, entwickelten sich Bedürfnisse, die nur mit Geld zu befriedigen waren, die aus der traditionellen Naturalwirtschaft nicht mehr bedient werden konnten. Feinere Kleidung, Kutschen, orientalische Spezialitäten fanden in immer breiteren Kreisen Anklang.
Aber nicht nur für den Zweck der Konsumtion erhöht sich die Nachfrage nach Geld. Die Überlegung, den Ertrag von Grund und Boden zu steigern bzw. ihn neu zu nutzen und auf diese Weise das eigene Vermögen zu vergrößern, gewann in Ungarn erst mit Beginn der napoleonischen Kriege an Bedeutung, als sich mit der Kriegskonjunktur entsprechende Absatzmöglichkeiten boten. Die Neigung der Grundherren, das Allodium auf Kosten der Leibeigenen-Gründe zu vergrößern – das sogenannte Bauernlegen – nahm zu, denn nur so ließen sich die verkaufbaren Erträge steigern. Damit nahm der Bedarf an Landarbeitern – Knechten, Erntearbeitern –, denen Arbeitslohn zu zahlen war, zu. Sowohl die konsumptiven als auch die produktiven Bedürfnisse des Adels erforderten also Bargeld, und daher waren sie auf den Verkauf ihrer Waren angewiesen. Solange die Kriegskonjunktur anhielt, gelang der Verkauf meist, und auch Kredit, sofern dennoch notwendig, war einfach und im Vergleich zu den zu erwartenden Gewinnen wohlfeil zu haben. Damit hatten sich jedoch die Kreditbedürfnisse des Adels grundlegend verändert. In dieses muntere Treiben schlug gleich einem Blitz das Devaluationspatent ein.

 

2. Das Devaluationspatent und die Kreditkrise

Da der ungarische Reichstag der Devaluation nicht zustimmte, wurde diese in Ungarn mit der Kaiserlichen Verfügung vom 1. 9. 1812 verhängt. Zwischen dem Bekanntwerden der Devaluation und deren Inkrafttreten in Ungarn verschwand das Metallgeld völlig aus der Zirkulation, niemand wollte mehr die Bankozettel annehmen, das Agio zwischen den beiden Geldsorten stieg in astronomische Höhen.
Für die Vermögenslage der Bevölkerung hatte die Devaluation natürlich nachteilige Folgen. Eine Zusatzverfügung zu diesem Patent regelte die teilweise Entwertung der zu diesem Zeitpunkt offenen Schuldforderungen auf Grundlage einer Skala, eine Regelung, die sowohl Gläubiger als auch Schuldner hart traf.
Dieser Regelung zufolge wurden diejenigen Schulden, die vor 1799 aufgenommen worden waren, die sogenannten anteskalarischen Schulden, in ihrem vollen nominellen Wert anerkannt. Das heißt, der Schuldner hatte die gleiche Summe, die er seinerzeit in Bankozetteln aufgenommen hatte, in Einlösungsscheinen zurückzuzahlen, obwohl er für 5 Bankozettel-Gulden einen Gulden in Einlösungsscheinen erhalten hatte, sein Barvermögen, sofern es in Papiergeld vorlag, auf ein Fünftel entwertet worden war. Er mußte sozusagen fünfmal so viel zurückzahlen, wie er aufgenommen hatte. Die Schulden von 1811 hingegen wurden genauso entwertet wie das Papiergeld: Auf ein Fünftel. Für die Schulden zwischen 1799 und 1811 wurden die Schulden stufenweise verringert.
Die Schuldenregelung des Devaluationspatents schrieb keine besondere Geldsorte für die Rückzahlung vor, die Schuld konnte auch dann in Papiergeld zurückgezahlt werden, wenn sie in Metallgeld aufgenommen worden war, sofern im Schuldbrief nicht ausdrücklich der Münzfuß festgelegt worden war. Das führte dazu, daß in den meisten Schuldbriefen des Vormärz’ der Münzfuß sehr genau festgelegt wurde, „in Gulden Konventionsmünze“, „in Silber“, „in Dukaten“, „in Zwanzigern“, usw. Der Münzfuß des solchermaßen verwendeten Konventionsguldens war von Franz von Lothringen festgesetzt und 1753 mit Bayern vertraglich abgesichert worden. 20 Gulden CM wurden der feinen kölnischen Mark und 131/3 Reichstalern gleichgesetzt. Ein Gulden CM teilte sich in 60 Kreuzer. Dieser Konventionsgulden war eine rein nominell verwendete Münze, sie kam nur auf Schuldbriefen und Verträgen vor und war praktisch nicht im Umlauf. Ihr Verhältnis zum Papiergeld-Gulden stabilisierte sich nach anfänglichen Schwankungen auf 1 : 2,5.
Viele Gläubiger weigerten sich jedoch, das neue Papiergeld, die Antizipationsscheine und dann die Einlösungsscheine, anzunehmen, worauf es die Schuldner als richterliche Einlage bei einem Gericht hinterlegten, was rechtlich einer Begleichung der Schuld gleichkam. Dagegen protestierte wiederum der Gläubiger, sodaß die Devaluation neben anderen Schäden auch Prozeßwellen zur Folge hatte.
Die Entwertung der Schulden traf diejenigen Gläubiger schwer, die sich nicht durch Festlegung des Münzfußes abgesichert, aber den Kredit, den alten Gewohnheiten gemäß, langfristig verliehen hatten. Das waren vor allem Stiftungs- und Waisenkassen, Witwen, Gläubiger aus dem Adelsstand.
Somit hatte sich am Vorabend des Vormärz das Verhältnis zwischen Angebot von und Nachfrage nach Kredit grundlegend geändert. Die Nachfrage war auf ein Vielfaches gestiegen, das Kapital der traditionellen Kreditgeber war gleichzeitig geschrumpft. Als Gläubiger traten daher im Vormärz vermehrt Kaufleute auf, die den Geldverleih als einträgliches Geschäft betrieben und gleichzeitig als Möglichkeit nutzten, um günstig in den Besitz oder zum Nutzungsrecht von Immobilien zu kommen. Diesen Umstand spiegelt unter anderem die Rede eines Abgeordneten aus Szabolcs auf dem Landtag von 1825 wider, der fürchtet, daß „wegen der Unfähigkeit der Rückerstattung der Schulden Juden, Griechen und Wucherer, die einen großen Teil der Gläubiger ausmachen, in den Besitz eines beträchtlichen Teiles des Landes kommen könnten.“(1)

Diese Vorgänge führten zur ersten schweren Kreditkrise des neuzeitlichen Ungarn, die mit Unterbrechungen und Schwankungen bis zur Revolution bestand.

Einer der größten Pester Kaufleute des Vormärz beantwortete 1816 ein Bittschreiben um Zahlungsaufschub abschlägig:

„Wir sind keine Kapitalisten, wir leiden schweren Geldmangel, wir besitzen keine Fabriken, keinen Grundbesitz, keine Einkünfte aus Pacht, wir benötigen unser weniges Geld für das tägliche Überleben.“(2)
Die Kreditkrise, die sich bis in die späten 20er Jahre hinzog und auch das Wiener Bankhaus Fries zu Fall brachte, führte in Ungarn zu einer Welle von Konkursen, die viele für ungarische Verhältnisse vermögende Händler und auch den Seidenfabrikanten Antal Valero betraf. Der Pester Kaufmann Liedemann, der angeblich bei Wiener Firmen Außenstände in der Höhe von 150.000 fl. hatte, gehörte auch zu den damaligen Bankrotteuren. Seine Firma erholte sich später, er bzw. sein Sohn Friedrich spielten weiterhin eine bedeutende Rolle unter den Kaufleuten Pests.
Der Landtag von 1825 setzte die Frage des Kredits auf die Tagesordnung, es kamen aber keine entsprechenden Gesetze oder Verordnungen zustande. Daraufhin verloren die Gläubiger, die bis dahin zugewartet hatten, endgültig die Hoffnung in eine Wertkonsolidierung und klagten ihre Außenstände ein. Dies trug noch einmal dazu bei, den allgemeinen Kreditmangel zu verschärfen. Aus den Aufzeichnungen eines Pester Großhändlers und Geldverleihers lassen sich die Geldverlegenheiten des Hochadels erahnen: „Graf Aurél Dessewffy erbittet im Oktober 1832 «in seiner Verlegenheit» einen Kredit von 150 (!) fl. László Szögyény, der spätere Vizekanzler, sucht in dieser Zeit bei Kappel um Aufschub bei der Rückzahlung eines 2.000 fl.-Kredites an, mit der Begründung, daß er selbst mit Leuten zu tun habe, deren schwache Seite die Zahlungsmoral sei. Als er schließlich seine Schuld beglich, bat er Kappel, ihm 1.000 fl. gleich wieder zu borgen, falls er sie im Augenblick nicht zu dringend brauche.“ (3)

 

3. Die Lage des Agrarsektors zwischen 1815 und 1840

Die wichtigsten landwirtschaftlichen Exportprodukte Ungarns waren der Weizen und die Wolle, daneben noch der Tabak. Aber der Tabakhandel war fest in den Händen einiger Wiener und Pester Händler (Sina, Wodianer, Ullmann), die ihn auf gepachteten oder eigenen Gütern anbauen ließen, oder auf 10 Jahre oder mehr lautende Lieferverträge direkt mit den Bauern abschlossen. Für die Lage der ungarischen Adeligen sind daher die anderen beiden Artikel von Bedeutung.

1. Der Weizen: Von 1818 ab sanken die Getreidepreise international ungefähr 10 Jahre lang ständig, und zwar sogar unter den Stand vor den napoleonischen Kriegen. In Ungarn ist diese Entwicklung zeitlich leicht verzerrt zu spüren. 1818 beträgt der Weizenpreis in Pest 148 Groschen/Preßburger Metze, 1819 fällt er auf 80 (4), 1820 steigt er wieder auf 115, 1821 auf 130 gr. Dann fällt er wieder auf 85 gr. 1822, steigt im folgenden Jahr auf 93 und fällt dann wieder. 1826 befindet er sich auf dem Tiefststand von 60 gr. Danach steigt er wieder rapide an und erreicht 1829 einen Höchststand von 159 gr. Um diese Zahlen richtig zu interpretieren, muß die Geldentwertung dieser Zeit mit in Betracht gezogen werden – die 159 gr. von 1829 stehen nur nominell über dem Preis von 1818, – sowie die Tatsache, daß es für den Verkäufer keine Alternative zu den Inlandspreisen gab, da der ungarische Weizen in dieser Zeit vom Weltmarkt fast völlig durch den russischen verdrängt wurde. Diejenigen Grundbesitzer, die weiterhin vom Verkauf des Weizens leben wollten, sahen sich genötigt, die Produktion zu steigern: Wurden in den 20-er Jahren jährlich 62-63 Millionen Metzen Weizen geerntet, so stieg die Produktion bis zu den 40-er Jahren auf 90 Millionen.(5) Der Haupt-Absatzmarkt für den Weizen waren die österreichischen Erblande. Der Export in andere Staaten wurde nicht nur durch Weltmarktbedingungen oder die Zölle erschwert, sondern durch die schlechten Transportwege. Erst mit der Gründung der DDSG nahm der Getreidehandel wieder einen gewissen Aufschwung. Die größten Getreideumschlagplätze waren zwei Orte an der Donau: Törökbecse im Banat (Novi Beçej, Serbien) und Győr. Die großen Gewinner des sich erholenden Weizenhandels waren jedoch nicht die Produzenten, sondern die Getreidehändler.
2. Die Wolle. Zunächst entwickelten sich die Wollpreise, vor allem nach Kriegsende, ungünstig. Allerdings waren sie auch während der Kriege deshalb so gestiegen, weil das bisherige Hauptexportland, Spanien, durch die Kriegshandlungen schwer in Mitleidenschaft gezogen worden war.
Der Preis der feinen Einschurwolle betrug 1818 120 gr., 1819 99 gr., 1820 71 gr., stieg dann langsam an und machte 1825 einen Sprung nach oben, auf 122 gr. Die ungarische Wolle wurde vor allem nach England exportiert. Die Folgen der Absatzkrise auf dem Weltmarkt wurden in Ungarn 1826 spürbar: Der Preis fiel auf die Hälfte, auf 67,5 und erreichte auch 1829 nicht mehr als 70 gr.
Der Grund des Anstiegs der Wollpreise war der Aufschwung der europäischen, vor allem der englischen Textilindustrie. Die Erlöse aus der Schafzucht fingen dadurch in gewissem Ausmaß die Verluste auf dem Getreidesektor ab. Die allgemeine Wirtschaftskrise von 1825 setzte jedoch dem ein Ende. Nach 1825 wurde die ungarische Wolle schrittweise vor allem durch die weitaus billigere australische vom Weltmarkt verdrängt. Der Aufschwung der österreichischen Textilindustrie eröffnete der ungarischen Wolle neue Absatzmöglichkeiten in den österreichischen Erblanden, sodaß die Schafzucht in den 30-er Jahren die Haupt-Einkommensquelle der ungarischen Adeligen darstellte.

 

4. Die Cholerawelle von 1830/1831

Die in der gesamten Monarchie wütende Cholera und die gegen sie ergriffenen Maßnahmen blieben auch in Ungarn nicht ohne Wirkung auf das Wirtschaftsleben. Obwohl der wichtigste Arzt der Monarchie, der Leibarzt der kaiserlichen Familie, den ansteckenden Charakter dieser Seuche bestritt,(6) wurden im ganzen Reich an ständig wechselnden Orten sanitäre Kordons errichtet, die Verkehr und Handel zum Erliegen brachten. Warenlieferungen blieben liegen oder wurden konfisziert. Viele Manufakturen stellten die Produktion vorübergehend ein, da die Ansteckungsgefahr durch das Zusammenströmen der Arbeitskräfte natürlich erhöht wurde. Dadurch gerieten viele ungarische Unternehmer an den Rand des Konkurses.
Schließlich kam es in Ungarn in Stadt und Land zu den sogenannten Choleraaufständen, die durch Militär niedergeschlagen wurden: Die Bauern machten ihre Grundherren für die Seuche verantwortlich, da sie nach der Überzeugung ihrer Untertanen (– bei denen sie offensichtlich recht unbeliebt waren,) die Brunnen vergiftet und so die Krankheit verursacht hatten. Die städtischen Handwerker und Paupers nahmen die Ohnmacht der Behörden gegenüber der Seuche als Ausdruck ihres bösen Willens, nichts dagegen zu tun.

Es dauerte eine Weile, bis die Wirtschaft Ungarns die Folgen der Seuche und der damit einhergehenden Maßnahmen überstanden hatte.

 

5. Die 40-er Jahre.

Als die Österreichische Nationalbank 1840, beunruhigt durch das Schrumpfen des Bankschatzes und das gleichzeitige ständige Anwachsen der Menge der in Umlauf befindlichen Banknoten, ihre Bankeinlagen bei den Privatbanken aufkündigte und dadurch deren Kreditrahmen praktisch von einem Tag auf den andern einschränkte, so zog das den Konkurs einiger großer Wiener Bankhäuser nach sich. Da die Kaufleute Ungarns alle über Bankkredite oder über das Wechselgeschäft von Wiener Händlern und Bankiers abhingen, folgte in Pest und Buda eine Konkurswelle, deren Ausläufer bis in die ungarische Provinz reichten. Ein Artikel im „Pesti Hírlap“ berichtete etwas pathetisch: „… panischer Schrecken herrscht unter den Kaufleuten in Pest“.(7) Dessenungeachtet erholten sich die meisten der Bankrotteure recht schnell und spielten weiterhin eine wichtige Rolle im Geschäftsleben Ungarns. Der bereits in den 20-er Jahren einmal in Konkurs gegangene Kaufmann Liedemann meldete 1841 erneut Konkurs an, der mit Geymüllers Zusammenbruch in Zusammenhang stand. (Siehe dazu Teil V. 3. Die Pester Zuckerraffinerie.) Über die Frage, wer hier den größeren Schaden davongetragen hat, gibt es in der Literatur widersprüchliche Angaben. Die Firma Liedemanns bestand jedenfalls auch in den 40-er Jahren und nach der Revolution weiter.

Die 40-er Jahre waren die Zeit der Bemühungen um den Aufbau einer eigenen, nationalen Industrie. Die Lage auf dem Kreditsektor entspannte sich etwas, die ersten Geldinstitute Ungarns drängten durch ihre Kreditvergabe den Wucher zurück. Das Inkrafttreten des Wechselgesetzes erhöhte die Bereitschaft von Wiener und ausländischen Kaufleuten, ihren Geschäftspartnern Kredit zu gewähren. Den Jahren der relativen Prosperität folgte die Wirtschaftskrise von 1846 und 1847. In diesen Jahren kam es in Ungarn zu schweren Mißernten. In Oberungarn (Slowakei) konnte 2 Jahre lang wegen anhaltender Regenfälle fast nichts geerntet werden. Im Süden herrschte Dürre. Die Kartoffelernte wurde fast vollständig vernichtet, auch die Weizenernte blieb weit unter den Erwartungen. Der Handel mit Getreide brach zusammen, Wechsel auf Ernteerträge platzten. Die Folgen dieser Mißernten waren Hungersnöte bisher unbekannten Ausmaßes, über deren Ausmaße und Auswirkungen ein – allerdings extrem ungarnfeindliches – Buch reichlich Stoff liefert: Darin werden Bettler und Halbverhungerte, die ihre Töchter verkaufen, in Pest und Buda beschrieben, von Fällen von Kannibalismus in Oberungarn wird berichtet, usw.(8) Viele der vom Hungertod Bedrohten flüchteten in die Städte, vor allem nach Pest.
Auch in den österreichischen Erblanden herrschte eine Wirtschaftskrise, deshalb verweigerten die österreichischen Kaufleute und Bankiers ihren ungarischen Geschäftspartnern 1847 jeden weiteren Kredit und forderten ihre Außenstände ein. „Schüller, der größte Brünner Tuchfabrikant, kam persönlich nach Pest und übergab dem Gericht massenhaft Wechsel, die er von ungarischen Kaufleuten angenommen hatte.“(9)
Das Jahr 1848 war nicht nur eines des politischen Aufruhrs, sondern auch eines des wirtschaftlichen Zusammenbruchs. Der Pester Kaufleute standen mehrheitlich vor dem Nichts. Die Kaufleute aus der Provinz wagten nicht, zum Markt nach Pest zu reisen. Das Metallgeld, aber auch das Bargeld überhaupt, verschwand aus der Zirkulation. Die Adeligen konnten ihre Schulden nicht zahlen, die Banken sahen sich einem Ansturm ausgesetzt, bei gleichzeitiger Unkündbarkeit eines Großteils ihrer Kredite.
Der Lösungsversuch für diese ganzen Schwierigkeiten, den die ungarischen Politiker unternahmen, ist bekannt. Er mißlang, aber nicht aus ökonomischen Gründen.

 

(1) Orszaggyűlesi Naplo, IV.k.127.l., zitiert nach: Iványi-Grünwald 2, S. 66

(2) Gyömrei 2, S. 232

(3) Gyömrei 2, S. 245

(4) Sämtliche Preisangaben aus; »Adalékok Magyarország nyersterményeinek ártörténetéhez a tizenkilencedik században«, Kereskedelmi és iparkamara. Bp. 1873, zitiert nach: Iványi-Grünwald 2, S. 63-64

(5) Belitzky János, A magyar gabonakivitel története 1860-ig. Bp. 1932, S. 134 und 145; zitiert nach: Gyömrei 2, S. 244

(6) Kübeck, S. 454 - 467

(7) Artikel vom 17. Juli 1841, zitiert nach: Gyömrei 2, S. 261

(8) Janotyckh, S. 74-82

(9) Fenyvessy, S. 22

weiter zu: Teil IV: Das feudale Land: Die Kreditverhältnisse des Adels

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