Protokoll 31 13. KAPITEL: Maschinerie und große Industrie
7. Repulsion und Attraktion von Arbeitern mit Entwicklung des Maschinenbetriebs. Krisen der Baumwollindustrie Auf den Seiten 478-482 beschreibt Marx, wie die Kosten der Krise 1862 (zur Zeit des am. Bürgerkriegs) auf die Arbeiter abgewälzt wurden: erstens kriegten sie schlechteres Material, wurden aber nach Stücklohn bezahlt, wodurch die Zeit, die sie bei der Bearbeitung des minderwertigen Materials verloren, auf ihre Kosten ging. Zusätzlich wurde auch der Stücklohn verringert. Und sofern sie in werkseigenen Wohnungen wohnten, wurde ihnen auch noch die Miete vom Lohn abgezogen, was besonders schwer ins Gewicht fiel, wenn sie auf Kurzarbeit ohne Lohnausgleich reduziert waren. Außerdem waren die zugesetzten Ersatzstoffe gesundheitsschädlich. (Das ganze klingt ja fast wie das Strecken vom Heroin am Schwarzmarkt!) Dabei hatten diese Zusatzstoffe noch den Vorteil, das Gewebe schwerer zu machen und es konnte teurer verkauft werden, da der Preis dieser Stoffe offenbar nach Gewicht festgesetzt wurde. Um sich irgendwie über Wasser zu halten, prostituierten sich die überflüssig gemachten weiblichen Arbeitskräfte, aber nach all dem Geschilderten kann man sich auch nicht vorstellen, daß dadurch sehr viel Geld ins Haus kam. Zu dem allen kamen die Entwicklungen auf dem Weltmarkt, weil die Konkurrenz schläft ja auch nicht: „Man findet also in den ersten 45 Jahren der britischen Baumwollindustrie, von 1770-1815, nur 5 Jahre der Krise und Stagnation, aber dies war die Periode ihres Weltmonopols. Die zweite, 48jährige Periode von 1815 bis 1863 zählt nur 20 Jahre des Wiederauflebens und der Prosperität auf 28 Jahre des Drucks und der Stagnation. Von 1815-1830 beginnt die Konkurrenz mit dem kontinentalen Europa und den Vereinigten Staaten. Seit 1833 wird Ausdehnung der asiatischen Märkte erzwungen durch "Zerstörung der Menschenrace". Seit Widerruf der Korngesetze, von 1846 bis 1863, auf acht Jahre mittlerer Lebendigkeit und Prosperität 9 Jahre Druck und Stagnation.“ (S. 482, letzter Absatz)
8. Revolutionierung von Manufaktur, Handwerk und Hausarbeit durch die große Industrie Zumächst wird beschrieben, wie die Maschne in den beiden Formen der Manufaktur wirkt, um Arbeitskraft zu ersetzen. ein wenig Rätsel gibt der Satz auf: „Sofern eine einzelne Arbeitsmaschine an die Stelle der Kooperation oder der Manufaktur tritt, kann sie selbst wieder zur Grundlage handwerksmäßigen Betriebs werden.“ (S. 484, 1. Absatz) Damit ist gemeint, daß sie zwar einzelne Arbeitsgänge durch eine Maschine ersetzt, die darauf folgenden jedoch noch händisch ausgeführt werden müssen – solnge, bis dorthin auch eine Maschine erfunden wird. „Diese Metamorphose bleibt dort am schwierigsten, wo die manufakturmäßige Produktion des Machwerks keine Stufenfolge von Entwicklungsprozessen, sondern eine Vielheit disparater Prozesse einschließt.“ (S. 484, 1. Absatz) Wo das Produkt durch hintereinander stattfindende Arbeiten entsteht, kann man Stück für Stück Handarbeit durch Maschinen ersetzen, und dabei auch zwei oder mehr Arbeitsgänge zusammenziehen. Wo diese vielen Arbeiten gleichzeitig verrichtet werden, geht das viel schwerer – da braucht man für jeden einzelnen Arbeitsgang ein Gerät, und die muß man dann koordinieren. Man mußte hier zuerst die Arbeitsvorgänge selbst umgestalten, um sie dann maschinell ausführen zu lassen. Was bedeutet dieser Satz? „Die durch den Maschinenbetrieb erst systematisch ausgebildete Ökonomisierung der Produktionsmittel, von vornherein zugleich rücksichtsloseste Verschwendung der Arbeitskraft und Raub an den normalen Voraussetzungen der Arbeitsfunktion, kehrt jetzt diese ihre antagonistische und menschenmörderische Seite um so mehr heraus, je weniger in einem Industriezweig die gesellschaftliche Produktivkraft der Arbeit und die technische Grundlage kombinierter Arbeitsprozesse entwickelt sind. (S. 486, 2. Absatz) Damit ist gemeint, daß diejenigen Menschen, die dadurch überflüssig gemacht werden, daß ein bestimmter Produktionsprozeß mechanisiert wird, dorthin gehen müssen, wo noch Handarbeit nötig ist. (Man erinnere sich, das hatten wir schon! Im vorigen Kapitel, bei der Kompensationstheorie ff.) Und dort alle Arbeitsbedingungen annehmen müssen, auch wenn sie unter ihrer früheren Qualifikation sind. Das ist übrigens heute genauso. Man ersetze nur „Maschinen“ durch „Computer“ und „Internet“. Die Ausführungen von Marx über den Handel mit Lumpen und die Arbeit in den Ziegelfabriken (S. 487-89) sind von erschreckender Aktualität. Man erinnere sich an Videos über den Altkleiderhandel, der teilweise vom Roten Kreuz zur Selbstfinanzierung betrieben wird, wo die ganzen in den Altkleider-Containern gesammelten Kleidungsstücke sortiert, gewaschen und in Ballen in die 3. Welt exportiert werden, wo sie die dortige Textilindustrie ruinieren. Oder an Berichte über Ziegeleien in China, wo auf der Straße geraubte oder den Eltern abgekaufte Kinder in Ziegelfabriken als Sklaven gehalten und dort erbarmungslos verbraucht werden. ____________________________ DISKUSSION Die Heimarbeit scheint sehr ungesund zu sein, wie die ansteigende Rate der Schwindsucht zeigt. Außerdem wird die Heimarbeit nicht gesetzlich durch die „Fabrikakte“ geregelt, sodaß dort keiner die Arbeitsbedingungen überwacht. Die Enge und sonst unerfreuliche Ausstattung, Heizung und Belüftung dieser Räume wird erschöpfend beschrieben und läßt auch Rückschlüsse auf die damaligen Wohnverhältnisse am Land zu. Ganz zu schweigen von der moralischen Verkommenheit der solchermaßen „Erzogenen“, wenn sie erst einmal erwachsen sind! Oh Schreck oh Graus! Das „Trucksystem“war eine Form der Naturalentlohnung, wo die Arbeiter ihre Lebensmittel und andere Güter ihres Bedarfes aus Geschäften des Unternehmers beziehen mußten. (Dagegen bildet sich in Österreich die Konsumgenossenschaft.) So etwas wie das Spitzenklöppeln ist der Erinnerung eines Anwesenden zufolge bei uns in den Kinderheim-Mißbrauch-Skandalen auch vorgekommen zu sein. Da wurde Heimarbeit in doppeltem Sinne angewandt, indem die Heimleiter sich durch das Vermieten der ihnen ausgelieferten Kinder für solche Jobs ein Zusatzeinkommen verschafften. Sogar in diesem Detail ist also das „Kapital“ sehr aktuell. „Man fängt an zu verstehn, wozu die Maschinerie so ungeheure Produktenmassen hervorzaubern und so ungeheure Arbeitermassen "freisetzen" hilft.“ (S. 494, 2. Absatz) Erstens einmal, warum „wozu“ und nicht „wodurch“? Die vorher angeführten Zahlen sagen ja nur aus, daß sehr viele Leute in diesen stickigen Behausungen mit Heimarbeit beschäftigt sind. Die sieht man sozusagen gar nicht, wenn man sein Auge nur auf die mit Maschinen vollgestellten Fabriken richtet, und nicht auf die Berichte diverser Kommissionen. ____________________________ DISKUSSION zu Seite 495 Was über die Umwälzung der Textilindustrie im Zeichen der Nähmaschine gesagt wird, erinnert an die kürzlich wieder einmal in die Presse geratenen Zustände der Kleidungsindustrie in Bangladesh und anderswo. Also das ist ein Stück Kapitalismus, wo sich sehr wenig geändert hat. Die Nähmaschinenproduzenten sind ebenfalls erfinderisch im Verwerten ihres Kapitals: Sie vermieten Nähmaschinen, die sie nicht verkaufen können, an Heimarbeiter, die sie sich nicht leisten können, und damit stacheln sie noch deren Konkurrenz an. Überhaupt ist die ganze Globalisierung doch eigentlich nur eine Fortsetzung in globalem Maßstab dessen, was hier beschrieben wird: die Maschinerie wird dort eingesetzt, wo sie profitabel ist. Wo menschliche Arbeitskraft billiger ist, wird Kinderarbeit genauso eingesetzt wie Heimarbeit und der Lohn bis ans Existenzminimum oder darunter gedrückt. Gibt’s irgendwo Gegenwehr, so zieht die Karawane der Unternehmer weiter und eröffnet woanders eine Produktionsstätte oder bezieht einen anderen Landstrich in dieses System der Heimarbeit ein – genau so lange, bis es dann doch wieder günstiger ist, irgendwo eine hochautomatische Fabrik hinzustellen. Stimmt es, daß verbesserte Transportmittel und Infrastruktur die saisonalen Schwankungen der Auftragslage ausgleichen, wie auf Seite 502-505 behauptet wird? Ja und nein. Sie können diese Schwankungen ja auch befördern, indem z.B. ein Modefetzen schnell weltweit auf den Markt geworfen werden muß, und dann auf einmal eine Flaute eintritt, weil ihn jeder Eskimo und Buschmann auch schon hat. |