ALBANIEN
1999
Albanien und der Islamische Fundamentalismus
Wie zuletzt der Fall Öcalans gezeigt hat, gibt es
heute fast kein Land mehr auf der Welt, in dem politisch Verfolgte Zuflucht
finden können es sei denn, dieses Land ist durch Bürgerkrieg,
Korruption und Verbrechen in einen Zustand versetzt worden, in dem die
Regierung das Treiben der Landesbewohner nicht mehr kontrollieren kann.
In einem solchen Land kann man zwar nicht mehr offiziell Aufnahme finden,
aber man kann in ihm untertauchen. Zu dieser Gruppe von Staaten, in denen
die Souveränität nur mehr nominell besteht, gehören verschiedene
afrikanische Länder, Afghanistan, und auch Albanien.
Der Strom islamischer Organisationen nach Albanien begann 1991, noch unter
der letzten kommunistischen Regierung von Ramiz Alia. Diese Regierung
hob das Verbot der Religionsausübung auf. Dabei mag sie Länder
wie Österreich im Auge gehabt haben, in denen eine Staatsreligion
und eine Staatskirche sich in trauter Eintracht mit der Regierung um die
Moral des Volkes sorgen. Alia und seine Mannschaft erhofften sich also
eine Stärkung ihrer eigenen Stellung durch die Gewährung der
Religionsfreiheit.
Daß diese nicht eingetreten ist, liegt in der Natur der Sache. Der
Glaube bewährt sich nur dort als Opium für das Volk, wo er innerhalb
eines fest eingerichteten Verhältnisses von Rechten und Pflichten
gepflegt wird. Er kann eine funktionierende politökonomische Ordnung
eines Staatswesens nicht ersetzen, geschweige denn schaffen.
Es war übrigens nicht so, dass die Albaner 1991 von sich aus diese
Religionsfreiheit gefordert hätten. Die auch seither nicht sehr üppigen
Missionierungs-Erfolge islamischer (auch christlicher, nebenbei) Organisationen
sind darauf zurückzuführen, daß diese gesellschaftliche
Bedürfnisse befriedigen, für die der albanische Staat nicht
mehr aufkommen kann und will: Sie eröffnen Koranschulen in Gegenden,
für die sich kein albanischer Lehrer findet. Sie übernehmen
die Verwaltung des ständig wachsenden Elends, kümmern sich um
Waisen und Witwen, Alte und Kranke, und stellen für eifrige Schüler
Stipendien zur Verfügung.
Die islamischen Organisationen waren der antikommunistischen Regierung
Berishas zunächst hochwillkommen. Sie erhoffte sich finanzielle,
ideologische und außenpolitische Unterstützung durch die arabischen
Staaten. 1993 trat Albanien der Organisation der Islamischen Konferenz
(OIC) bei. Die ersten Mißtöne kamen 1996 anläßlich
eines Vandalismusaktes von Koranschülern gegen eine orthodoxe Kirche
auf. Die wahre Motivation der Kursänderung dürfte das Bewußtsein
gewesen sein, daß eine betont islamische Orientierung Albaniens
die angestrebte Integration in westliche Bündnisse behindern würde.
Eine Schließung der islamischen Schulen in Albanien wurde angedroht.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatten sich bereits amerikanische
Geheimdienste für die islamisch-arabischen Organisationen in Albanien
zu interessieren begonnen. In einer geheimen Aktion wurden schließlich
im Juni 1998 in Zusammenarbeit von FBI, CIA und albanischem Geheimdienst
mehrere Ägypter verhaftet und nach Ägypten oder in die USA überstellt.
Sie sollen Mitglieder der ägyptischen fundamentalistischen Vereinigungen
al-Gama´a al-Islamiya oder Jihad gewesen sein, einige von ihnen
wurden verdächtigt, am Massaker von Luxor 1997 beteiligt gewesen
zu sein. Die Öffentlichkeit hätte, wäre es nach den beteiligten
Geheimdiensten gegangen, weder über Beweise gegen diese Personen
noch über ihr weiteres Schicksal etwas erfahren.
Die Herald Tribune berichtete einige Tage nach den Bombenanschlägen
auf die amerikanischen Botschaften in Kenia und Tansania, daß diese
ein Vergeltungsschlag für die Verhaftungen in Albanien gewesen seien.
Die Dementis der albanischen Behörden kontrastierten mit gleichzeitig
ergriffenen Maßnahmen: Für die amerikanische Botschaft in Tirana
und die albanischen Botschaften in mehreren europäischen Städten
wurden strenge Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Albanische Politiker
versicherten, alle in Albanien lebenden Araber umgehend zu durchleuchten.
Die Regierung beschloß den sofortigen Austritt aus der OIC. Der
albanische Polizei nahm weitere Verhaftungen vor. Im Oktober wurde in
Tirana ein Ägypter von der Polizei erschossen, der angeblich an den
Bombenanschlägen in Afrika beteiligt war. Auch hier weiß man
nichts Genaues, weder über Beweise für diese Beteiligung noch
über die genauen Umstände seines Todes.
Ein wegen Mordes angeklagter Algerier berichtete im November, ein Agent
Osama Bin Ladens zu sein, der ihn beauftragt habe, Kämpfer anzuwerben,
auszurüsten und den Kosova-Albanern als Beistand in ihrem Kampf gegen
die Serben zu schicken. Diese Behauptungen wurden vom albanischen Geheimdienst
bestätigt.
Bin Laden hat sich offenbar auf dem Balkan das gleiche Ziel gesetzt, mit
dem er seine politische Karriere in Afghanistan begonnen hatte: Religiös
motivierte Fanatiker gegen einen Feind des Islams auszurüsten und
in den Kampf zu schicken. Damals, in Afghanistan, waren diese Leute von
den USA geschätzte und unterstützte Freiheitskämpfer, heute
nennt man sie islamische Terroristen.
Seither sind Albaner und Amerikaner damit beschäftigt, dieses Netzwerk
des saudiarabischen Prinzen in Albanien und den Nachbarländern auszuheben.
Für diese Hetzjagd auf Islamisten sind die USA gut gerüstet:
Sie unterhalten seit einiger Zeit, auf jeden Fall noch vor den Anschlägen
in Afrika, ein Büro des FBI in Tirana. Der FBI ist der Inlandgeheimdienst
der USA, diese betrachten also das, was arabische Organisationen in Albanien
treiben, als eine innere Angelegenheit Amerikas. Eine ähnliche Einstellung
pflegen sie auch zu anderen postkommunistischen Staaten: Demnächst
wird ein FBI-Büro in Ungarn eröffnet.
Albanien und die NATO
Das Interesse der NATO, genauer: der USA an Albanien
erwachte anläßlich ihrer großflächigen Einmischung
im bosnischen Bürgerkrieg. Albanien diente neben Kroatien und Italien
als Basis für Bomber-Flüge gegen die Stellungen der bosnischen
Serben. Seit dem Sommer 1995 trainieren albanische Soldaten in den USA
im Rahmen des PSP-Programms. Ebenfalls seit 1995 hält die NATO Manöver
in Albanien ab.
Die Stellung Albaniens zur NATO kennzeichnete von Anfang an tiefste Unterwürfigkeit.
Das sehr bescheiden ausgerüstete albanische Heer war und ist über
jede ausrangierte Waffe, jeden Tanker aus NATO-Beständen dankbar,
ebenso für Ausbildungsmöglichkeiten ihrer Soldaten in Amerika.
Dort bekommen die Albaner nämlich nicht nur eine Ausbildung, sondern
auch regelmäßig reichliche Nahrung was im albanischen
Heer seit Jahren ein Problem darstellt.
Die Regierung Berisha erhoffte sich durch die NATO eine außenpolitische
Aufwertung und eine Stärkung ihrer Autorität im Inland. Da Albanien
als Stützpunkt gegen Serbien in Anspruch genommen wurde, kalkulierten
Berisha und ein Teil seiner Mannschaft wohl auch mit der Unterstützung
der Kosovo-Albaner durch die NATO und einem möglichen Groß-Albanien,
wie es nur einmal, unter der italienischen Besatzung, bestanden hatte.
Berisha wurde 97 durch einen Volksaufstand gestürzt und infolgedessen
von seinen westlichen Gönnern fallengelassen. Seine Nachfolger werden
zwar anerkannt und unterstützt, aber nicht in einem Maße, das
ihnen sorgenfreies Regieren ermöglichen würde.
Obwohl es auch die folgenden Regierungen nie an Dienstfertigkeit gegenüber
dem westlichen Militärbündnis fehlen ließen, ist keine
der Berechnungen bezüglich der NATO aufgegangen. Das ist ein Risiko
jedes Staates, der sich zur abhängigen Variable von Großmachtpolitik
macht. Die albanische Armee ist vor allem seit der Plünderung
ihrer Lager während der Unruhen 97 mit zu wenigen und erbärmlichen
Waffen ausgerüstet, bei Panzern und ähnlichem großen Gerät
schaut es noch schlechter aus. Zusagen, die die USA bezüglich Ausrüstung
noch 1996 gemacht hatten, wurden nie eingelöst. Es ist nämlich
den Offizieren der NATO nicht entgangen, daß Waffen, die der albanischen
Armee zur Verfügung gestellt würden, sehr bald für etwas
Kleingeld in die zivile Sphäre wechseln und zur Ausrüstung
von Schmugglern, UCK-Rebellen oder Autoschiebern dienen würden. Auch
Fahrzeuge wären von dieser Art der Verwertung nicht geschützt.
Also beschränkt sich die Zusammenarbeit auf Ausbildung
und Beratung.
Albanien wurde ähnlich wie andere postkommunistische Staaten,
die sich früher dem Einfluß westlicher Bündnisse entzogen
hatten und nach der Wende in dieser Hinsicht einen unbestellten Acker
darstellten zum Objekt der imperialistischen Konkurrenz zwischen
den USA und den europäischen Staaten. Die EU hatte die Regierung
Berisha vorbehaltlos unterstützt. Erst als diese sich nicht mehr
halten konnte, griffen die europäischen Staaten ein, verordneten
Neuwahlen und entsendeten Soldaten im Rahmen der Aktion Alba.
Das angestrebte Ziel dieser Maßnahmen, wieder geordnete Verhältnisse
im Land zu schaffen, d.h. mit anderen Worten: wieder ein funktionierendes
Gewaltmonopol zu errichten, wurde nicht erreicht. Eine solche Staatsmacht
läßt sich nämlich nicht von außen verordnen, wenn
ihr im Inneren des Landes alle Grundlagen abhanden gekommen sind
es sei denn, die Schutzmächte errichten ein Protektorat,
wie in Bosnien.
Die USA haben sich solche ehrgeizigen Ziele nie gesteckt. Albanien ist
aufgrund seiner Lage nützlich, also muß Militär hin. Der
offizielle Sprachgebrauch lautet: Kooperation, gemeinsame Manöver,
usw. Die Sache ist aber sehr einseitig. Eine politische und ökonomische
Aufwertung, wie sie Ungarn oder Polen über die NATO-Mitgliedschaft
erfahren haben, ist für Albanien nicht in Sicht. Albanien ist ein
NATO-Stützpunkt minderer Qualität, der es aufgrund seiner desolaten
inneren Zustände vermutlich nie zu einer Mitgliedschaft in dieser
illustren Gesellschaft bringen wird. Selbst die militärische Hilfe
ist sehr beschränkt: Der Wunsch der albanischen Regierung, daß
die NATO die albanisch-jugoslawische Grenze sichern möge, wurde von
den NATO-Staaten im Vorjahr mehrmals abgelehnt die von der albanischen
Regierung angestrebte Unterbindung des Waffenschmuggels und der Benützung
Nordalbaniens als Hinterland der UCK-Guerilla war offenbar nicht ident
mit den damaligen Zielen der NATO.
Heute ist Albanien Aufmarschgebiet für den Balkankrieg der NATO und
Auffanglager für die vertriebenen Kosovaren. Für beides bringt
das Land außer seiner geographischen Lage keinerlei Voraussetzungen
mit. Zu keiner der Ortschaften des Grenzgebietes führt eine asphaltierte
Straße, Transporte von schweren Waffen und großen Menschenmengen
sind schwierig bis unmöglich. Albanien ist verelendet, kann seine
eigenen Bewohner nicht ernähren, noch weniger Hunderttausende Flüchtlinge.
Es wird mit jedem Tag mehr in die Kampfhandlungen hineingezogen, ohne
daß es dabei eine aktive Rolle spielen oder ein nationales Interesse
wahrnehmen könnte. Die Kosovo-Frage ist darüberhinaus ein ständiger
Streitpunkt der albanischen Innenpolitik.
Albanien und das Kosovo
Die Grenzen Albaniens und seiner Nachbarstaaten sind
das Ergebnis mehrer Balkankriege und -Konferenzen der Großmächte,
die ihren jeweiligen Günstlingen nach Möglichkeit Territorien
verschaffen und sie den Protegés der anderen wegnehmen wollten.
Es ist nämlich das Schicksal dieser Region, Material für die
imperialistische Konkurrenz zu sein. Das macht sie zumPulverfaß.
Heute ist es wieder so weit.
Albanien als eigenständiger Staat wurde 1913 geschaffen, weil Österreich-Ungarn
verhindern wollte, daß dieses Territorium Serbien und Griechenland
zugeteilt wird. Bei diesem Kuhhandel der damaligen Weltordner war eine
Gegend ungefähr in den Grenzen des heutigen Albanien das Äußerste,
was die albanischen Politiker für sich herausholen konnten. Viele
Gegenden mit albanischer Bevölkerung fielen an Serbien, Montenegro
und Griechenland.
Damit soll nicht ausgedrückt werden, daß die Grenzen damals
falsch gezogen worden wären. Es gibt nämlich gar keinerichtigen
Grenzen. Sie alle trennen die Leute voneinander, machen sie zum Material
unterschiedlicher staatlicher Berechnungen und Maßnahmen, und zum
Kanonenfutter in etwaigen Kriegen. Noch weniger gibt es richtige
Grenzen auf dem Balkan, wo jede Grenzziehung Minderheiten schafft, mit
der entsprechenden Problematik.
Eine Angliederung des Kosovo stand eigentlich seither nie mehr auf dem
Programm irgendeiner albanischen Regierung. Albanien hätte aus eigener
Kraft keinen Krieg gegen Serbien gewinnen können. Es fand auch
mit Ausnahme der Besatzungsmacht Italien nie einen Paten im Kreis
der tonangebenden Mächte, der ein solches Vorhaben unterstützt
hätte.
Das Kräfteverhältnis und die Vorgaben der USA und EU bestimmen
auch heute die Politik Albaniens in Hinsicht auf das Kosovo. Auch diese
heutigen Großmächte wollten bisher keine Vereinigung Albaniens
mit dem Kosovo. Es ist aber nicht nur die Rücksicht auf gewichtige
ausländische Interessen, die die albanische Regierung dazu bewegt,
in der Kosovo-Frage vorsichtig aufzutreten.
Nehmen wir einmal die demographischen Voraussetzungen. Albanien hat etwas
über 3 Millionen Einwohner, die albanische Bevölkerung des Kosovo
macht 1,7 oder 1,8 Millionen aus, mehr als die Hälfte derjenigen
Albaniens. Es ist dabei nicht so, daß eine arme Provinz auf ein
stabiles Mutterland trifft, sondern man kann sich schwer entscheiden,
in welchem der beiden Gegenden die ökonomischen und politischen Zustände
unerfreulicher sind. Eher hat sogar Kosovo die besseren Karten: Dort gibt
es eine intellektuelle und politische Elite, die zwar jahrelang im Untergrund
existiert hat, aber nach wie vor relativ intakt ist. Albanien hat eine
mehrjährige und außergewöhnlich intensive Abwanderung
der Elite zu verzeichnen, das politische Leben ist von einer Korruption
gezeichnet, die sogar für diese Weltgegend außergewöhnlich
ist. Würde das Kosovo mit Albanien vereinigt, ist keineswegs sicher,
daß Tirana weiterhin das Zentrum der Entscheidungen über das
Schicksal des Landes würde. Warum nicht Prishtina? Die Kosovarer
hätten sogar ein gutes Stück Tradition auf ihrer Seite, denn
die Verkündung des nationalen Gedankens, der Wille zu einem eigenen
albanischen Staat ging im 19. Jahrhundert vom Kosovo aus, von der Liga
von Prizren.
Sollte die Kosovo-Frage nun mit Hilfe der NATO gegen Serbien entschieden
werden und die UCK siegestrunken Groß-Albanien ausrufen, so würde
sich sofort die Frage stellen: Wer stellt und wo residiert die neue Regierung?
und der inneralbanische Konflikt ginge los.
Die Vorstellung, daß die ethnische Zugehörigkeit automatisch
Einheit schafft, ist nämlich ein Trugbild, das sich nur solange aufrechterhalten
läßt, als diese Einheit gewaltsam von außen erzeugt wird.
Wenn Albaner von der serbischen Regierung verfolgt werden, so erzeugt
das ein gemeinsames Interesse aller Albaner, sich der Verfolgung zu entziehen
und die Serben zu bekämpfen. Was aber, wenn dieser Druck
aufhört? Dann fängt das Streiten an, was denn nun zu tun sei,
und die Einigkeit ist dahin.
Verschiedene Regierungen, unterschiedliche Kosovo-Politik. Als Sali Berisha
seinen ersten Wahlkampf abwickelte, erklärte er die Kosovo-Frage
zu seinem obersten Anliegen. Er beschwor die Einheit der albanischen Nation,
die sich durch Staatsgrenzen nicht beirren lassen dürfe. Damit wollte
er sich als bessere Alternative zur kommunistischen Partei präsentieren,
die sich seit Jahrzehnten jeder Einmischung in die Angelegenheiten Jugoslawiens
enthalten hatte. Er gewann diese Wahl. Die nationale Karte hatte gezogen.
Im Grunde betrieb Berisha in Albanien die gleiche Politik wie Milosevic
in Serbien: Die eigenen Brüder und Schwestern jenseits der Landesgrenzen
gehören geschützt und unterstützt, gegen andere Nationalisten,
die ihnen an den Kragen wollen. Eigene Minderheiten im Inland sind eigentlich
störend und sollten gar nicht als Staatsvolk behandelt werden. Die
jahrelange strafrechtliche Verfolgung und Diskriminierung der Griechen
in Südalbanien wurde erst aus außenpolitischen Rücksichten
eingestellt oder zumindest zurückgeschraubt.
Als Regierungschef unterstützte er öffentlich und sichtbar die
Untergrundregierung Rugovas, und weniger öffentlich die seit Anfang
1996 aktive UCK. Die Unterstützung bestand sicher nie in großen
materiellen Zuwendungen. Das Allerwichtigste war einfach, daß das
Territorium Albaniens, seine Häfen und seine schwer kontrollierbare
Gebirgsgrenze für die Versorgungsbedürfnisse dieser klandestinen
Organisationen zur Verfügung standen.
Seit dem Regierungswechsel 1997 ist die Kosovo-Frage ein wichtiger Faktor
der albanischen Innenpolitik geworden. Die neue Regierung war mit Hilfe
der EU an die Macht gekommen und hält sich nur dank auswärtiger
Hilfe. Sie ist international anerkannt. Der vom Volkszorn verjagte ehemaliger
Premier Berisha will wieder an die Macht. Legal kann er Wahlen nicht mehr
gewinnen: Er ist zu unbeliebt. Als Oppositionsführer fehlen ihm die
Möglichkeiten, Wahlen in seinem Sinne gewaltsam zu manipulieren,
wie er es 1996 getan hat. Die UCK betrachtete er als eine Möglichkeit,
sich eine bewaffnete Truppe zu schaffen und auf weniger demokratische
Art wieder an die Regierung zu kommen. (Auf ähnliche Art hat immerhin
auch Achmed Zogu 1924 die Macht in Albanien erobert.) Deshalb unterstützte
Berisha in den letzten eineinhalb Jahren die UCK mit allen Mitteln. Gleichzeitig
benutzte er die Kosovo-Frage zur außenpolitischen Profilierung seiner
eigenen Partei, indem er stets möglichst gegenteilige Positionen
zu denen der Regierung formulierte.
Die Erklärungen der albanischen Regierungen der letzten 2 Jahre waren
geprägt von den Bemühungen, sich den wechselnden Vorgaben von
OSZE, EU, USA usw. anzupassen. Premierminister Nano erinnerte in einer
Grundsatzrede zur Kosovo-Frage im April 98 daran, daß die
internationale Kontakt-Gruppe in dieser Frage uneinig ist, was der
albanischen Führung die außenpolitische Positionierung erschwere.
Diese Schwierigkeiten sind jetzt vorbei. Albaniens Rolle ist klar: Es
ist Landebahn und Aufmarschbasis der NATO-Truppen. Der nächste Balkankrieg
wird (auch) von albanischem Boden geführt.
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geschrieben 1999 für die österreichische Wochenzeitung
VOLKSSTIMME. Ohne Angabe von Gründen nur teilweise veröffentlicht
(ohne den Teil über die islamischen Fundamentalisten)
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